Leitmesse der Fahrradbranche zeigt den Entwicklungsstand der „virtuellen Kette“ am Pedelec
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Die zweite Frankfurter Ausgabe der Weltleitmesse Eurobike wird den Gedanken der neuen Mobilität per Fahrrad und jenseits dessen noch intensiver präsentieren und diskutieren. Dazu gehören ein eigener Messe-Bereich – die Light Electric Mobility Halle 8, inklusive der Start Up und Cargobike-Area, aber natürlich auch die Abbildung der technischen Entwicklungen, die nötig sind, um eine so tiefgehende Veränderung wie den Mobilitätswandel voranzutreiben. Eine davon dürfte das serielle Hybrid-System sein: Die Idee, den Antrieb am Fahrrad vollständig zu digitalisieren, ohne dabei das Pedalieren selbst zu verbannen.

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Die Eurobike wird auch 2023 wieder neue Wege aufzeigen, die bis vor kurzem noch gar nicht vorstellbar waren. Der serielle Hybrid zählt zu ihnen. Die Idee ist schon vor Jahren in findigen Köpfen gereift, die konsequente Umsetzung am Fahrrad aber erst seit kurzem existent: Man ersetzt den Antriebsstrang aus Kettenblatt, Kette oder Riemen und Antriebsritzel(paket) durch ein digitales Pendant. Das deutsche Mobilitäts- und Automotive-Unternehmen Schaeffler hat das, teils in Zusammenarbeit mit dem Nabenmotorhersteller Heinzmann, bereits realisiert. Sein Free Drive wird in aktueller Version auf der Eurobike 2023 zu sehen und zu erleben sein. In neuen Business-Lastenrädern verbaut, aber auch in Sharing-Rädern mit Lastenoption wie vom Münchner Spezialisten Mocci, ist das System derzeit schon zu finden. Gerade am Lastenrad führt die digitale Technik zu Benefits, die Freiräume schaffen und neue Anstöße bringen können.

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Digitale Antriebe: Mehr Freiheit und weniger Verschleiß

Da sind zunächst Gestaltungsvorteile: Der komplette mechanische Antrieb fällt weg. Der Fahrzeugdesigner ist damit freier und kann kreativer planen. Völlig neue Fahrrad-Architekturen werden möglich. Verschleiß: Das Rad ist fast wartungsfrei, da die verschleiß- und wartungsintensivsten Komponenten fehlen. Mobilitätsvorteile: Gerade an Mehrspurern bietet sich ein Rückwärtsgang an, der bei einem mechanischen Antrieb nur aufwendig umzusetzen ist. Beim seriellen Hybrid ist das kein Problem, genauso wie die virtuelle Gangschaltung, die dem Fahrer ab einer gewissen Umdrehungszahl suggeriert, die Automatik habe in einen höheren Gang geschaltet. Unser gewohntes E-Bike-System ist der parallele Hybrid: Die Pedale treiben über Kurbel und Ketten- oder Riemenantrieb das Hinterrad an. Der Motor liefert anteilig zu dieser Leistung zusätzlich parallel Kraft für den Vortrieb, entweder über die Kette oder direkt per Nabenmotor. Beim seriellen Hybrid geht die Kraft vom Pedal nicht in den mechanischen Antrieb, sondern in eine Art Generator, wozu es einen Umrichter braucht: Die so entstehende Stromenergie wird im Akku zwischengespeichert. Unabhängig von der eingehenden Energie gibt dieser dann Strom für den Vortrieb an den Motor ab. Es gibt also keine mechanische Verbindung zwischen Pedal und Motoraktivität.

Bild: Schaeffler

Das „Ketten-Feeling“ übernimmt die Software

Laut Expertenmeinungen wie der von Hannes Neupert vom Verein ExtraEnergy hat der serielle Hybrid schon seinen Siegeszug durch Bereiche der Branche angetreten. Eine Entwicklungsaufgabe haben manche Unternehmen, die sich oft noch jenseits der Öffentlichkeit mit dem Thema beschäftigen, aber noch im Auftragsbuch stehen: Den Widerstand, der beim Pedalieren auftritt, digital abzubilden. Mando, eine Tochter des Automotive-Konzerns Halla, ist ein Pionier in puncto serieller Antrieb. In seinem System, das etwa im Citkar, einem Business-Lastenrad arbeitet, kann man diesen Widerstand per Software digital anpassen, wie auf der Eurobike 2023 zu erfahren sein wird. Bahnbrechende Innovationen sind im Detail immer optimierbar. Beim seriellen Hybrid betrifft das derzeit noch die Effizienz. Unter anderem ist die Ein- und Ausspeisung der elektrischen Energie energetisch aufwendig. Hier ist die weitere Entwicklung sicher auch stark von der Batterie-Industrie und Zellen-Technologie abhängig.

Kettenfrei dank Gesetzesänderung

Wichtig für die künftige Entwicklung der Mobilität: Grünes Licht gibt es für den seriellen Hybrid auch vom Gesetzgeber, unter anderem Dank erfolgreicher Lobbyarbeit eines Netzwerks von Unternehmen aus dem Bereich. Die zuständige EU-Kommission hat 2022 E-Bikes mit entsprechendem Antrieb als Epacs eingestuft – elektrisch unterstützte Fahrräder. Für diese gelten die üblichen Normen und Regeln wie für Pedelecs: Verkehrsrechtliche Stellung wie ein Fahrrad, Motor bis 250 Watt Dauerleistung, Unterstützung bis zur Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Diese Eckdaten sind die primäre Voraussetzung für den Markterfolg des seriellen Hybrids in Europa.

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„Wo sind zukunftsweisende Technologien aus dem Bike- und New-Mobility-Bereich besser aufgehoben als auf der Weltleitmesse in Frankfurt?“, meint Dirk Heidrich, Projektleiter der Eurobike. „Wir sind überzeugt davon, dass die Messe einen großen Anteil dabei leisten kann, den Weg für die Mobilitätswende aus technischer Sicht zu ebnen. Die Abbildung und Diskussion der technischen Möglichkeiten gänzlich neuer Systeme ist hier ein Fokuspunkt. Auch das sehen wir als eine unserer zentralen Aufgaben an.“

In Zukunft nur noch serieller Hybrid?

Auch wenn Experten die Zukunft des seriellen Systems ausgesprochen positiv sehen: Das klassisch angetriebene Pedelec, vor allem jenes für den sportiven Bereich, wird nicht aussterben, da ist man sich einig. Wer etwa ein Rennrad oder Mountainbike mit Unterstützung fährt, für den mag das ganz klassische Ketten-Feeling essenziell sein, ebenso wie Gewichtsminimierung. Doch auch so wird der Einsatzbereich des seriellen Hybrids stark wachsen. Die Eurobike in Frankfurt wird das mit viel Elan weiter dokumentieren.

Mehr Informationen unter: www.eurobike.com.

Quelle: PM Eurobike
Bilder: s. Kennz.