Wie schlägt sich die Interpretation einer leichten E-Enduro im harten Testeinsatz?
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Bereits im Mai letzten Jahres wurde das Specialized Turbo Kenevo SL erstmals als leichte Variante des Turbo Kenevo vorgestellt. Im Downhill potent wie der größere Bruder, in Sachen Gewicht aber nahezu auf dem Niveau unmotorisierter Bikes, lautet hier die Devise. So waren wir natürlich auf die Performance des Modells in der Expert-Variante gespannt und auch, ob der eigens mit MAHLE ebikemotion entwickelte Mittelmotor auch im steilen Gelände einen ausreichenden Vortrieb bereitstellen würde. Hier unser Bericht!

Specialized Turbo Kenevo SL Expert im Überblick

Wenn man das Kenevo SL im Vorbeifahren sieht, fällt einem auf den ersten Blick nicht auf, dass es sich um ein E-Bike handelt. Es ist, was Geometrie und Anlenkung des Dämpfers angeht, an das Specialized Enduro angelehnt und sieht diesem, solange man nicht das Surren des Motors oder das nur minimal dickere Unterrohr und natürlich den Motor sieht, zum Verwechseln ähnlich.

Da das Specialized Enduro in der Bio-Bike-Kategorie ein voller Erfolg war und in mehreren Tests auch Testsieger wurde, macht es aus Sicht von Specialized natürlich nur Sinn, ein ähnliches E-Bike auf den Markt zu bringen. Dieses reiht sich in die wachsende Range ähnlicher Light-E-Bikes wie z.B. dem Turbo Levo SL ein. Zudem ist man so auch für die neue Konkurrenz erfolgreicher Light-E-Bikes anderer Marken gerüstet.

Die Geometrie des Kenevo SL ist wie von Specialized gewohnt modern und für eine Enduro mit 170 mm Federweg natürlich abfahrtslastig orientiert. Ein durchschnittlicher Reach soll angenehm viel Raum im Cockpit bringen und gepaart mit den recht kurzen Kettenstreben in Verbindung mit einem ziemlich langen Radstand ein gutes Kurvengefühl geben, wie man es von Specialized eben gewohnt ist.

Ein cooles Special am Specialized ist der verstellbare Steuerrohrwinkel, welcher mittels Austausch der Top-Cap zwischen 62,5 über 63,5 bis 64,5 Grad verändert werden kann. So wird einem zusammen mit der in diesem Zuge um sechs Millimeter verstellbaren Tretlagerhöhe ein Anpassen des Bikes in sechs Stufen für alle möglichen Trails gegeben. Je nach Steilheit und Geschwindigkeit des Trails kann mit ein wenig Aufwand das Bike an die Gegebenheiten oder Vorlieben angepasst werden, um optimale Performance zu liefern.

Antrieb, Batterie und Extras

Der Turbo SL Motor des Kenevo SL kommt mit 240 Watt und 35 Nm Drehmoment und soll die Power verdoppeln, die man als Fahrer bei der konventionellen Enduro einbringen würde. Der sogenannte SL 1.1 Antrieb wurde exklusiv für Specialized von MAHLE ebikemotion entwickelt und wiegt nur 1,95 Kilogramm. Er zeichnet sich durch einen breiten Trittfrequenzbereich von 10 bis 120 U/min aus und hebt sich damit von den Produkten der Konkurrenz ab.

Specialized SL 1.1 Antrieb

Der fest verbaute Akku kommt mit 320 Wh Kapazität und soll für ca. 4,5 h unterstützten Fahrspaß reichen. Über die neue Mastermind TCU im Oberrohr kann man sich auf wechselbaren Bildschirmen jeweils vier Werte aus insgesamt 30 Datenwerten anzeigen lassen.

Die Unterstützungsstufen lassen sich über zwei Bedienknöpfe am Lenker einstellen und sind entweder in drei voreingestellten Stufen auswählbar oder per MicroAdjust in 10-%-Schritten auch während der Fahrt anpassen. Um noch genauere Daten über das Kenevo SL zu bekommen, kann die Specialized MissionControl App mit dem Bike verbunden werden und somit können detaillierte Infos ausgelesen und weitere Anpassungen gemacht werden.

Fahrwerk und Ausstattung

Unser Testmodell bringt einen Federweg von 170 mm mit, der von Fox-Komponenten verwaltet wird. Vorne arbeitet dabei die Fox Float 38 Performance Elite 29 mit Grip2 Kartusche und hinten ist der Fox Float X2 Performance verbaut. Dieses potente Fahrwerk lässt schon auf dem Papier eine gute Downhill-Performance erwarten.

Gebremst wird mit Sram Code RS Bremsen, die mit einer 220 mm Bremsscheibe vorne und einer 200 mm Bremsscheibe hinten ausgerüstet ist und damit perfekte Voraussetzungen für die zu erwartenden Anforderungen mitbringt. Zum Schalten hat Specialized die hochwertige X01 von Sram mit X01 Hebel, XG-Kassette und GX-Kette gewählt. Die Kurbeln sind von Praxis, Pedale werden standardmäßig nicht mitgeliefert.

Das Cockpit setzt sich aus hauseigenem Vorbau mit 35 mm Klemmung und dem Spezialized Trail Alu Lenker mit 30 mm Rise und 800 mm Breite zusammen. Schön zu sehen ist, dass man sich für hochwertige Griffe entschieden hat, denn mit den Deity Knuckleduster bringt das Turbo Kenevo SL Expert überaus ergonomische Kontaktpunkte am Lenker mit.

Der Bedienhebel für die hydraulisch absenkbare X-Fusion Manic Sattelstütze ist auf der linken Lenkerseite zu finden und stellt dem Nutzer einen Hub zwischen 125 mm bei S2 (kleinste Größe) und 170 mm bei S4 und S5 (größte Größe) zur Verfügung. Auf der Sattelstütze ist der Specialized Bridge Comp Sattel befestigt.

Bei den Laufrädern wird auf die Eigenmarke Roval gesetzt. Die Roval Traverse 29er-Felgen kommen vorne mit Roval, und hinten mit hochwertiger DT Swiss Nabe. Für Grip auf dem Trail sorgen die ebenfalls von Specialized selbst entwickelten Butcher Grid Trail Reifen mit T9 Compound vorne und T7 Compound hinten.

Auf dem Trail

Schon beim ersten Testrollen fällt einem die zentrale Position im Bike direkt auf, wobei man genügend Platz zum Cockpit hat. Wenn man die Augen schließt und sich nur einfach vorstellt, wo Griffe und Pedale idealerweise platziert werden müssten, würden die Kontaktpunkte des Kenevo SL perfekt passen, wodurch ein sehr natürliches Gefühl auf dem Bike entsteht.

Dieses Feeling findet man auch auf den Trails wieder, denn die E-Enduro gibt dem Fahrer schon ab den ersten Fahrten ein unglaubliches Maß an Sicherheit. Auf ruppigen Downhillpassagen oder auf loamigen Endurotrails will das Bike immer weiter und das überträgt sich auch auf den Fahrer. Einmal im schnell erreichten Flow will man nicht mehr aufhören und fährt schon auf den ersten Abfahrten mit Geschwindigkeiten, die einen darüber nachdenken lassen, ob man nicht doch mal die Bremsen benutzen sollte.

Auch Gaps, bei denen man mit anderen E-Bikes etwas Zeit und Überwindung braucht, funktionieren auf einmal ohne Probleme. Das Bike bleibt bei Manövern, die sonst kritisch wären, noch gut kontrollierbar und reagiert damit für den Fahrer vorhersehbar, was einen mit fast allen davonkommen lässt.

Vor allem in Kurven fährt sich das Turbo Kenevo SL unglaublich intuitiv und im Vergleich zu anderen Bikes „fast wie von selbst“. Es versackt nicht im Federweg und ist direkt wieder einsatzbereit für das nächste Wurzelfeld. Man fühlt sich auch bei höheren Geschwindigkeiten auf der E-Enduro sehr wohl, denn die Kombination aus 29er-Laufrädern und 170 mm Federweg lässt Speed und harten Downhill einfach zum Genuss werden.

Auch im Steilen lässt sich das Bike sehr gut handlen und man hat so gut wie nie das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. In steilen, verblockten und engen Passagen lässt sich das Specialized auch sehr gut kontrollieren und rollt mit entsprechender Fahrtechnik einfach über hohe Steine, Wurzeln und Absätze hinweg.

Um eine noch bessere Performance im Steilen zu bekommen, kann man den Steuersatz einfach in Richtung 62,5° verändern und ist so selbst für die steilsten Trails sehr gut gewappnet. Da dieser Steuerwinkel für ein Enduro wirklich wenig ist, muss man dafür mit Einbußen bei der Verspieltheit im Flachen und bei niedrigeren Geschwindigkeiten rechnen.

Die starken Downhill-Eigenschaften erkauft sich Specialized auch durch die Einsparung an Gewicht. Beim Turbo Kenevo SL trägt der Antrieb mit geringerer Leistung und die verringerte Akkukapazität dazu bei. Der Motor hilft einem zwar bei leichten bis moderaten Anstiegen bis auf die gesetzlich erlaubten 25 km/h, bei steilen und technischen Passagen fehlt aber etwas die Kraft, um einfach „durchzupowern“. Hier sollte die Linie allerdings gut gewählt und eine entsprechende Fahrtechnik vorhanden sein.

Probleme mit einem Abheben des Vorderrads und eventuellem Kippen nach hinten hat man durch die fehlende Power im Steilen auch nicht. Im Vergleich zum ebenfalls von uns getesteten Modellen mit anderen Antrieben, die in der gleichen Gewichtsklasse mitspielen, kann der Motor nicht mithalten. Hier ist der Antrieb von Specialized mit nur 35 Nm etwas zu schwach, was nicht heißen soll, dass man die Anstiege nicht erklimmen kann.

Im Vergleich zu stärkeren Modellen ist mehr Eigenleistung erforderlich, was man an der Abstimmung des Antriebs dann auch merkt. Eigentlich genau das, was sich die Nutzer von einem Light-E-MTB erhoffen. Damit platziert sich das Turbo Kenevo SL auch in der Praxis zwischen einem konventionellen Modell wie der Specialized Enduro und dem Full-Power E-MTB Turbo Kenevo.

Gegenüber dem Bio-Bike können Nutzer mit dem Kenevo SL also mehr Laps fahren, dabei aber ein ebenso natürliches Fahrgefühl genießen und haben zudem die Möglichkeit sich leichter konditionell herauszufordern, als mit einem E-Mountainbike mit voller Leistung.

Ein weiterer Vorteil des E-MTBs mit geringem Gewicht ist, dass man Anstiege mit dem Kenevo SL auch ohne Motorunterstützung angenehm hoch treten kann. Sollte sich die Batterie also durch falsche Routenplanung oder ausgiebige Fahrten erschöpfen, ist es kein Problem den Rest nach Hause oder zum Parkplatz ohne Motor zu fahren. Zudem hat Specialized ja auch einen Range Extender im Programm. 😉

PRO
  • ausreichend starker Antrieb
  • stabiler, schön designter Carbonrahmen
  • einzigartiges Bedienkonzept
  • hervorragende Bremsen
  • hochwertige Ausstattung
  • geringes Gewicht
  • sehr gut abgestimmtes Fahrwerk
  • zentrale Platzierung des Fahrers
  • Range Extender möglich
CONTRA
  • hoher Preis
  • geringere Akkukapazität

Specialized Turbo Kenevo SL Expert 2022

Specialized Turbo Kenevo SL Expert 2022 Test

Specialized Turbo Kenevo SL Expert 2022

Motor: Specialized SL 1.1, custom lightweight Motor, 240 W, 35 Nm
Batterie: Specialized SL1-320, fully integrated battery, 320 Wh
Display: Specialized TCU2, TFT-screen, fully custom setup, ANT+/Bluetooth
Rahmen: FACT 11m full carbon, 29”, 170 mm
Gabel: FOX FLOAT 38 Performance Elite 29, 170 mm
Dämpfer: Fox Performance Float X2
Schaltung: SRAM GX Eagle, 1×12
Bremsen: SRAM Code RS, 4-piston, 220/200 mm v/h
Kurbelgarnitur: Praxis, forged M30
Vorbau: Specialized Trail, 3D-forged alloy
Sattelstütze: X-Fusion Manic
Sattel: Bridge Comp, 155/143 mm
Laufräder: Traverse 29
Reifen: Butcher 29×2.3” / Eliminator 29×2.3”
Gewicht: n/a
zul. Gesamtgewicht: 128 kg
Preis: 9.499 EUR

Transparenzhinweis: Das Turbo Kenevo SL Expert 2022 wurde uns seitens der Specialized Germany GmbH für den Testzeitraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf das Testergebnis und unsere Meinung hatte dies keinen Einfluss.