Kaum ein Urlaubssegment wächst so dynamisch, wie der Radtourismus in Deutschland. 5,2 Millionen Bundesbürger haben 2016 einen Radurlaub unternommen, das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahr.
Da Radurlauber sechs Mal häufiger als Durchschnittsurlauber mit der Bahn und äußerst selten mit dem Flugzeug anreisen, ist Radtourismus eine der nachhaltigsten Reiseformen überhaupt.
Darauf wies der Fahrrad-Club bereits letzte Woche bei der Vorstellung der ADFC-Travelbike-Radreiseanalyse 2017 auf der ITB Berlin hin. Verbesserungsbedarf sahen Radreisende, die den Vergleich zu den Niederlanden hatten, vor allem bei der Wegweisung und der Durchgängigkeit des Radwegenetzes. Ein Drittel der Radreisenden nutzt die Bahn für An- und Abreise.
Zum Vergleich: Im Durchschnitt aller Reisenden liegt der Anteil bei nur fünf Prozent. Das Flugzeug spielt als Anreise-Verkehrsmittel der Radreisenden mit knapp 5 Prozent fast gar keine Rolle. Und jeder fünfte Radtourist startet – CO2-neutral – gleich auf dem Rad. Damit ist der Fahrradtourismus eine der umweltverträglichsten Reiseformen überhaupt.
Radreisende geben ihr Geld in Deutschland aus
Für 2017 planen 84 Prozent der befragten Radurlauber eine oder mehrere Radreisen. Dabei wollen nur 36 Prozent ins europäische Ausland und drei Prozent nach Übersee. Die überwältigende Mehrheit – 61 Prozent – wollen in Deutschland Radurlaub machen.
Zum Vergleich: Von allen Bundesbürgern planen etwa 30 Prozent in 2017 einen Urlaub in Deutschland. Thomas Froitzheim, ADFC-Tourismusexperte, ordnet das so ein:
Durchschnittsetappe: 65 Kilometer
Radurlauber sind im Schnitt 48 Jahre alt und legen am Tag beachtliche 65 Kilometer zurück. Sieben bis acht Etappen umfasst die durchschnittliche Streckenfahrt – also eine Fahrt mit wechselnden Unterkünften. Im Schnitt dauern diese Reisen neun Tage, davon sind sieben reine Fahrradtage.
Mehr Frauen, mehr Entschleunigung
Dass Radreisende tendenziell zu den Besserverdienenden gehören, ist seit Langem bekannt. Neu ist, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Frauen auf Radrouten unterwegs waren. Ihr Anteil stieg von 33,5 auf 42 Prozent. Als Hauptmotiv für die Wahl der Reiseform nennen die Radreisenden Naturerlebnis, sportliche Betätigung, Gesundheitsförderung und vor allem: Entschleunigung.
Mietrad oder eigenes?
Die meisten Radreisenden schwören auf ihr eigenes Rad. Sieben Prozent der Befragten sagen, dass ihnen der Transport des Fahrrads zu aufwendig oder zu teuer ist – und sie daher am Urlaubsort ein Mietrad genommen haben. Jeder fünfte Radreisende findet es wichtig, dass es am Urlaubsort auch Elektrofahrräder zur Miete gibt. Gute Qualität der Mieträder steht dabei ganz oben auf der Prioritätenliste.
Radreisende lieben das Wasser
In der Gunst der Radreisenden ganz vorn liegt zum dreizehnten Mal in Folge der Elberadweg. Er besticht durch seine enorme landschaftliche und kulturelle Vielfalt. Die aktuelle Top 10-Liste der beliebtesten Radfernwege in Deutschland lautet (in Klammern die Veränderung gegenüber dem Vorjahr):
- Elberadweg (±0)
- Weserradweg (±0) und RuhrtalRadweg (gleichauf, +1)
- Rheinradweg (+3)
- Donauradweg (±0) und Ostseeküsten-Radweg (gleichauf, +1)
- MainRadweg (+3)
- Mosel-Radweg (+1)
- Bodensee-Radweg (+2)
- Altmühltal-Radweg (+3)
- Bodensee-Königssee Radweg (+5)
- Oder-Neiße-Radweg (+3)
Beliebteste Regionen sind Bayern, Münsterland und Bodensee
Bayern ist zum sechsten Mal in Folge die beliebteste Radreiseregion im Inland, gefolgt vom Münsterland und der Bodensee-Region. Beachtlich aufgeholt haben beispielsweise der Schwarzwald (+6) und das Ruhrgebiet (+3). Froitzheim: „An den Aufsteigern können wir sehen, dass sich Investitionen in eine hohe Wegequalität und in die Vermarktung auszahlen.“
Google Maps, Komoot – und Wegweiser
Jeder zweite Radreisende nutzt das Smartphone zur Navigation, dabei liegen Google Maps und Komoot als meistgenutzte Apps ganz vorn. Essenziell für die Orientierung vor Ort ist aber nach wie vor die klassische Karte und vor allem die Wegweisung. Hier äußerten Befragte, die auch die Niederlande als Radreiseland kannten, Kritik. Aus dem Nachbarland sei man eine perfekte, omnipräsente Wegweisung und ein durchgängiges Radwegenetz analog zum Autoverkehrssystem gewohnt – dahinter bleibe Deutschland deutlich zurück.
Bundesweit einheitliche Wegweisung gefordert
Die Kritik deckt sich mit zentralen tourismuspolitischen Forderungen des ADFC. Froitzheim:
Hintergrund zur Radreiseanalyse
Die ADFC-Travelbike-Radreiseanalyse ist eine repräsentative Online-Befragung unter 7.000 Bundesbürgern. Die Befragung wurde im Winter 2016 / 2017 zum 18. Mal durchgeführt – in diesem Durchgang erstmals mit dem Partner Travelbike. Als Radreise wurde eine Reise definiert, die das Radfahren als eines der Hauptmotive hat und mindestens drei Übernachtungen umfasst. Die vollständigen Ergebnisse der Studie finden Sie im Webdossier zur Radreiseanalyse 2017.
„Fahrradland Deutschland. Jetzt!“
Der Anspruch der Bundesregierung, Deutschland sei auch ein Fahrradland, ist nach Auffassung des ADFC nicht in der Wirklichkeit angekommen. Deutschland ist zwar ein Radtourismus-Paradies, aber im Alltagsverkehr spielt das Fahrrad nach wie vor eine untergeordnete Rolle – anders als beispielsweise in den Niederlanden.
Der ADFC stellt das Jahr 2017 – in dem der 200. Geburtstag des Fahrrads gefeiert und der Bundestagswahlkampf stattfinden wird – unter das kämpferische Motto „Fahrradland Deutschland. Jetzt!“. Mit Aktionen im ganzen Bundesgebiet wird der Radfahrerclub auf den dringenden politischen Handlungsbedarf aufmerksam machen.
Mehr auch beim ADFC oder bei Travelbike.