E-Fatbikes, die trendigen E-Mountainbikes mit den voluminösen Reifen, machen nicht nur im Schnee Spaß.
7 min Lesezeit

Die Vorteile der breiten Reifen lassen sich besonders auf losen Untergründen erleben, etwa im Watt der Nordsee.

Gunnar Fehlau, Leiter des pressedienst-fahrrad, hat es ausprobiert und ist zusammen mit einer Radsportlerin und einem Fotografen in See gestochen.

Hier seine Reportage: Die Erstbefahrung der Insel Neuwerk!

Früher Morgen in Sahlenburg: Zwischen den vielen Wattkutschen und Wattwanderern an der Schwimmmeisterstation sind wir die Exoten. Nadine Böse, FitnessCoach und regionale Größe im Damenradsport, Fotograf Kay Tkatzik und ich lehnen entspannt an unseren Fatbikes.

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Die monströsen Vier-Zoll-Reifen sind das beherrschende Gesprächsthema der Passanten. Erste Lektion gelernt: Fatbikes fallen auf. Noch jedenfalls! Denn das Fatbike erobert derzeit Europa, nachdem es in Amerika bereits das „the next big thing“ in der Mountainbike-Welt ist.

Unsere Route

Wir wollen mit dem E-Fatbike allerdings neue Wege beschreiten und haben uns die Insel Neuwerk, nordwestlich von Cuxhaven, ausgesucht. Von Sahlenburg aus gibt es eine etwa elf Kilometer lange markierte Wattstrecke zur Insel mit sogenannten Pricken (aufgestellte Reisigbüschel).

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Die darf man bei Ebbe auch ohne Wattführer gehen. Uns stehen knapp 2,5 Stunden Niedrigwasser zur Verfügung. Wenn alles gut läuft, schaffen wir beide Wege. Wenn es nur mäßig rollt, nehmen wir heimwärts die Fähre. Wenn es schlecht läuft, holt uns die Flut auf dem Rückweg ein.

Wenn es miserabel läuft, überholt uns die Flut auf dem Rückweg und wir müssen uns in eine der sieben Rettungsbaken retten. Und wenn es katastrophal läuft, gelingt uns das nicht…

Breite Reifen – Breites Grinsen

Zwischen Wandergruppen und Kutschen geht es pünktlich viertel vor Acht an den Strand. Nadine und Kay sitzen zum ersten Mal auf E-Fatbikes. Es braucht nur einige Meter Fahrt über den weichen Sand und beide haben ein breites Grinsen aufgelegt. „Wahnsinn, wie einfach man über den zerfurchten Sand fährt“, freut sich die Transalp-erprobte Nadine. Nach 50 Metern erreichen wir das Watt.

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Faustdicke Überraschung: Statt mit weiter, feuchter Wattfläche ist die Strecke bis zur Insel fast vollständig mit Wasser bedeckt. Meist nur einige Zentimeter, aber eben nur meist. Die Wassertiefe und Strömung sind schlecht einzuschätzen. Die Pferdefuhrwerke bieten Orientierung: An ihren Rädern lässt sich die Wassersäule gut ablesen. Zu dumm nur, dass nicht stets eine Kutsche direkt vor uns fährt. Mal sind wir schneller, mal die Vierbeiner.

Bereits nach etwa zwei Kilometern gelangen wir an einen tiefen Priel. Er ist gute 20 Meter breit und wir sehen Wanderer, die ihn hüfttief gegen die starke Strömung gestemmt durchwaten. Unser Tatendrang ist gebremst. Lässt sich das mit den Fatbikes meistern? Was, wenn das Vorderrad im losen Untergrund doch an Halt verliert? Wie kann man in solch starker Strömung sicher vom Rad absteigen?

Während wir sinnieren, kommt eine Wandergruppe. Ihr Wattführer wählt einen anderen Weg eng entlang der linken Pricken. Und siehe da: Seine „Schäfchen“ laufen nicht einmal knietief durchs Wasser. Sofort steigt Nadine aufs Rad und nimmt den Weg in Angriff. Dieser Priel soll zur Schlüsselstelle unserer Tour werden…

Die Masse macht’s!

Es gibt nur wenige Momente im Radsport, in denen hohes Gewicht Trumpf ist. Wer etwas mehr auf die Waage bringt, zahlt dafür an jedem Anstieg. Doch hier im Watt kann ich gegenüber den beiden schmächtigen Radsportlern Nadine und Kay meinen Vorteil ausspielen: Sobald die großvolumigen „Jumbo Jims“ – so der bezeichnende Name der brandneuen Breitreifen von Schwalbe – im Wasser sind, entwickeln sie einen beachtlichen Auftrieb und das Vorderrad droht den Bodenkontakt zu verlieren.

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Nadine und Kay haben in den tiefen Prielen sichtlich damit zu kämpfen, ihre E-Fatbikes in der Spur zu halten. Einmal gestoppt, können sie kaum mehr aufsteigen. Ich hingegen lehne mich etwas nach vorne, lasse mein Gewicht arbeiten und habe stets volle Kontrolle.

Kurze Kaffeepause und wieder landwärts

Nach knapp anderthalb Stunden erreichen wir Neuwerk – ohne weitere gefährliche Priele zu kreuzen. Die Insel ist kaum drei Quadratkilometer groß und gehört zu Hamburg, ihr Leuchtturm ist übrigens das älteste Gebäude der Stadt.

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Für die Ausflugslokale und den Inselrundgang auf dem Hauptdeich bleiben keine Zeit. Die Uhr ist jetzt unser wichtigster Begleiter, wir müssen rechtzeitig los, um nicht ins auflaufende Wasser zu geraten. Ein schneller Kaffee, ein Erinnerungsfoto unter zahllosen interessierten Blicken und dann treten wir den Weg zurück zum Festland an.

Die Kutschenreisenden haben mehr Zeit, da die Wagen dank spezieller Konstruktion bis zu 1,5 Meter tiefe Priele durchfahren können, Wanderer nehmen meist die Fähre zurück.

Mannschaftszeitfahren

Auf dem Rückweg haben wir Gegenwind. Die Strömung des Wassers hat sich gedreht. Die Sandflächen werden minütlich kleiner. Wir haben die Flut im Nacken. Uns fehlt es völlig an Erfahrung und Orientierung, um einschätzen zu können, wie viel Zeit uns bleibt. Klar ist: Der Pegelstand an der Schlüsselstelle des Hinwegs ist der Scharfrichter unserer „Expedition Neuwerk“.

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Wir verzichten auf weitere Fotostopps und forcieren das Tempo. Instinktiv formieren wir uns an der Windkante. Ein Rennradfahrerreflex, der beim starken Küstenwind selbst bei 15 Stundenkilometern satte 40 Watt spart, wie Kays Quark-Leistungsmesskurbel offenbart. Jedem ist bewusst, dass wir schnellstens durch diesen Priel kommen müssen. Die seichte Biegung der Strecke wird nun zum nervenaufreibenden Umweg.

Doch wer die markierte Route verlässt, begibt sich in direkte Lebensgefahr. Der Grat zwischen gemütlicher Wattwanderung und tragischer Touristenkatastrophe ist schmal. Die meisten Kutschen nehmen den Abzweig nach Duhnen. Es wird einsam auf der Route. Nur das stetig steigende Wasser ist unser Begleiter.

Treibgut

An der Schlüsselstelle fährt Nadine wieder zuerst in die Fluten. Eng kurbelt sie an den Pricken entlang. Sofort ist sie knietief im Wasser, bald hüfttief. Sie lehnt sich voll gegen die Strömung
und den Wind, um bereits nach wenigen Metern die Haftung zu verlieren. Sie watet durch die
Strömung auf die andere Seite.

Auch ich muss nach zwei Dritteln der Strecke passen: Die Strömung ist schlicht zu stark. Ich laufe neben meinem Rad. Der Auftrieb der fetten Reifen lässt es fast waagerecht im Wasser treiben. Mit beiden Händen muss ich es festhalten, damit es nicht wegtreibt. Mein Rücken verdreht sich schmerzhaft dabei.

„Unglaublich, wie das Meer das Rad wegzieht“, ruft Kay, der sein Fatbike auf halber Strecke kurzerhand schultert. Die dicken Bikes sehen schwerer aus, als sie tatsächlich sind. So bringt das geschulterte Felt „DD 30“ knapp 14 kg auf die Waage.

Hintergrund Fatbike: Aus Alaska in die ganze Welt

Das Fatbike kam im hohen Norden Amerikas auf die Welt. Um mehr Radspaß im langen Winter zu haben, entwickelten Biker die „Snowbikes“. Diese hatten anfangs schlicht Laufräder mit zwei oder drei zusammengenieteten Mountainbike-Felgen und -Reifen nebeneinander.

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Das fuhr sich im Schnee ganz passabel, erlaubte aber faktisch keine Schräglage auf festerem
Untergrund. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts kamen langsam entsprechende Breitreifen,
Felgen, die dafür notwendigen Rahmen und Innenlager auf den Markt.

Die Vorteile der breiten Reifen im Schnee wurde schnell auch für anderes Terrains erkannt: Wo sich das klassische Mountainbike mit den kaum 2,5 Zoll breiten Reifen in Sand, Kies oder Schlamm festfährt, rollt man mit dem Fatbike einfach weiter. Der extrem geringe Luftdruck zwischen 0,4 und einem Bar sorgt für noch mehr Auflagefläche, Traktion und Komfort.

Mit diesem verbesserten Fahrverhalten fanden die inzwischen in „Fatbikes“ umgetauften Räder den Weg in Floridas Sümpfe, die Wüsten von Arizona und Utah und an die kalifornischen Surferstrände. Oder eben auch an die Nordsee.

Nach der Fahrt ist vor dem Putzen

Unsere „Expedition Neuwerk“ ist geglückt. Wir haben Flut und Watt getrotzt. Die Idee Fatbike kann auch in Deutschland voll überzeugen. Ich freue mich auf den Schnee! Doch jetzt müssen wir die Fatbikes erst einmal putzen: Sand und Salzwasser setzen der Fahrradtechnik stark zu.

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Fahren im Wasser ist eine „Zweckentfremdung“, durch die die Garantie vieler Bauteile eines Fahrrades verfällt. In jedem Fall muss das Rad nach jeder Wattfahrt umgehend und umfassend gesäubert und geschmiert werden.

Zu empfehlen sind dabei Pflegemittel, die Wasser unterkriechen, wie beispielsweise das „Bike Spray“ von Muc-Off. Vom selben Hersteller haben wir ein biologisch abbaubares Putzmittel mit an Bord und können für die Reinigung die Fußduschen am Strand benutzen.

Schlussbemerkung:

„Don’t try this at home“! Die Bedingungen bei Touren in Gezeitenregionen können sich binnen Minuten ändern und unter Umständen tödlich enden. Fahrten im Meerwasser und Sand haben unter Umständen verheerende Folgen für die Technik des Rades: Mechanische Bauteile verschleißen erheblich schneller und elektronischen Komponenten droht ein Totalausfall. Auf dieser Tour waren wir daher u.a. auf ausgemusterten E-Bike-Prototypen unterwegs.

Quelle & Text: Pressedienst Fahrrad