Fahrräder werden immer vielfältiger, die Technik dahinter immer komplexer. Das gilt auch für die günstigen Bikes. Wer sich mit “Made in Germany” als Qualitätsmerkmal auf der sicheren Seite fühlt, muss lange suchen. Was sind die heutigen Qualitätsmerkmale, und wohin entwickelt sich die Fahrradbranche? Über diese und andere Fragen hat Pendix mit zwei Experten gesprochen. Ernst Brust verfügt über jahrzehntelange Erfahrung als Qualitätsprüfer beim ZIV und bei Velotech, Ingenieur Thomas Herzog hat das Business von der Pike auf gelernt und Pendix gemeinsam mit seinen Mitgründern zum Marktführer für Antriebe gemacht.
Rahmen, Räder, Lenker, Sattel und Pedale – fertig ist das Fahrrad? Eben nicht. Ein ganz normales Rad besteht heute aus über 700 Einzelteilen, ein E-Bike sogar aus 2.000. Wie steht es um Made in Germany als Qualitätsmerkmal? Und hält der Fahrradboom an? Wir sprachen darüber mit Ernst Brust, Gründer des renommierten Prüfungsinstituts Velotech und Thomas Herzog, Geschäftsführer von Pendix, Antriebsspezialist und Marktführer bei der Nachrüstung von Fahrrädern.
Renn-, Lasten- oder Liegerad? Wie sind Fahrradprofis wie Sie eigentlich am liebsten unterwegs?
Thomas Herzog: Ich habe mir kürzlich eine Art modernes Hollandrad von einem unserer Partner zugelegt. Mir gefällt die Idee dahinter. Das niederländische Unternehmen Roetz sammelt Fahrradleichen von den Straßen und baut sie auseinander. Die funktionierenden Einzelteile werden verwertet, die Rahmen gesandstrahlt und neu lackiert. Mit neuen Rädern, Satteln, Lenkern, halt allem, was ein Rad braucht, entstehen stylishe Räder in klassischer Form. Das ist Upcycling im besten Sinn. Jedes Fahrrad ist ein Unikat. Ein bisschen retro, ein bisschen modern. Und vor allem nachhaltig.
Ernst Brust: Bei mir steht eine kleine Fahrradflotte im Keller. Am liebsten fahre ich aktuell mit einem Faltrad, das ist optimal für die Stadt. Auch wenn es so klein ist, ist noch immer Platz für einen Pendix-Antrieb, der ist in meinem Alter schon manchmal nötig. Ein E-Bike, mit dem man auch Bus fahren kann – das muss mir erstmal jemand nachmachen. Aber ich habe natürlich noch mehr Räder: Ein Lastenrad, mehrere Rennräder. Die hole ich dann je nach Anlass raus.
Die Fahrradbranche boomt. Jedes Jahr werden mehr Räder verkauft. Was denken Sie über diese Entwicklung?
Ernst Brust: Na, für mich als Fahrradenthusiasten ist es natürlich fantastisch. Ich finde die Entwicklung äußerst spannend und bin immer wieder erstaunt, was es an Fortschritt gibt, auch in puncto Sicherheit. In den 1950er und 60er Jahren war die Evolution des Fahrrads zum Stillstand gekommen, weil sich alle nur für Autos interessierten. Ab den 80er Jahren kamen dann langsam Innovationen dazu. Sowas wie Mountainbikes mit gefederter Radgabel oder Aluräder. Zu Beginn meiner Karriere habe ich noch Fahrräder untersucht, bei denen beispielsweise die Schrauben keiner Norm unterlagen, das wäre heute undenkbar. Und inzwischen sind ja sogar ABS-Systeme in Entwicklung, um die Sicherheit weiter zu erhöhen.
Thomas Herzog: Wir wollen auch nicht den Umwelt-Aspekt vergessen. Der Klimawandel ist Realität. Wer mit dem Fahrrad fährt, kann seinen Teil beitragen, dass auch kommende Generationen noch Freude an unserem Planeten haben. Heute gibt es ja für jeden das passende Bike, egal ob mit reiner Muskelkraft betrieben oder mit elektrischer Unterstützung. E-Bikes und normale Fahrräder liegen in den Verkäufen inzwischen fast gleichauf. Ich glaube zwar nicht, dass E-Bikes herkömmliche Räder komplett verdrängen werden, dafür sind sie im sportlichen Bereich zu beliebt. Aber wer das Rad als Mittel zum Zweck nutzt, also um bequem von A nach B zu kommen, für den sind Fahrräder mit E-Antrieb optimal. Auch für längere Strecken.
Und muss es für Sie immer Made in Germany sein?
Ernst Brust: Der Begriff ist schwierig. Ein modernes Fahrrad besteht aus so vielen Einzelteilen – dass da jede Schraube, jede Feder und jede Spule in Deutschland hergestellt sein kann, halte ich für unmöglich. Ich kenne kein einziges Unternehmen, das alle Komponenten komplett aus Deutschland bezieht. Made in Europe würde besser passen. Bei Fahrrädern aus anderen Teilen der Welt bin ich vor allem erstmal misstrauisch, wenn ich den Hersteller nicht kenne. Gute und schlechte Firmen gibt es überall, deswegen würde ich die Qualität eines Fahrrads nicht pauschal an dessen Herkunftsland messen wollen. Generell empfehle ich immer, sich gut beraten zu lassen und im Zweifel ein paar Euros mehr auszugeben. Denn wer billig kauft, kauft oft zweimal. Der Spruch bewahrheitet sich leider allzu oft.
Thomas Herzog: Das kann ich bestätigen, daher achte ich nicht nur bei Pendix immer auf Qualität. Wir setzen wo es geht auf regionale Zulieferer. Das ist auch der Grund, warum wir in Zwickau sitzen – hier profitieren wir von Synergien mit dem VW-Werk. Aber ohne internationale Partner funktioniert es nicht. Das hat Vor- und Nachteile. Die Lieferketten sind nicht mehr das, was sie waren. Auch wir müssen jetzt mehr im Voraus planen, die Qualität darf nicht leiden. Für mich geht das Made-in-Germany-Prinzip über die eigentliche Fertigung hinaus. Es geht um die Auswahl hochwertiger Komponenten, möglichst kurze Lieferwege und faire Arbeitsbedingungen. So entsteht ein qualitatives Produkt.
Im Oktober 2022 ist die Johnson Electric Gruppe aus Hong Kong als strategischer Gesellschafter bei Pendix eingestiegen. Verändert sich nun die Ausrichtung?
Thomas Herzog: Nein, ganz sicher nicht. Johnson Electric hat ähnliche Qualitätsansprüche wie wir. Für uns war von Anfang an klar, dass ein solcher Schritt nur mit einem Partner auf Augenhöhe und den gleichen Zielen funktioniert. Da Johnson Electric ein globales Unternehmen ist, erleichtert uns die Kooperation vor allem den Zugang zu Rohstoffen und Bauteilen. An den Abläufen ändert sich aber nichts. Wir produzieren weiterhin in Wilkau, arbeiten mit unseren langjährigen Partnern zusammen und werden auch in Zukunft die gewohnte Pendix-Qualität abliefern.
Zum Abschluss ein Blick in die Glaskugel: Wird Deutschland zum Fahrradland?
Ernst Brust: Was die Industrie angeht, mit Sicherheit. Das Auto ist out, das bekomme ich immer wieder mit. Viele Leute aus der Automobilbranche wechseln zu Fahrradherstellern, weil sie dort das Zukunftspotential sehen. Und für viele junge Ingenieure ist das Fahrradbusiness inzwischen oft die erste Wahl. Bei der Verkehrsplanung sehe ich noch viel Luft nach oben, da haben Länder wie Holland oder Norwegen aktuell einen deutlichen Vorsprung. Die Kommunen müssten mehr investieren, überdachte Fahrradwege zum Beispiel sind bei uns noch eine Seltenheit. Da das Autofahren in den Innenstädten immer weniger Spaß macht, wird die Zahl der Radfahrer wahrscheinlich automatisch zunehmen.
Thomas Herzog: Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind. Solche Entwicklungen brauchen aber Zeit. Viele Menschen nutzen ihr Rad nicht mehr nur bei schönem Wetter und für Touren, sondern als Verkehrsmittel zu jeder Jahreszeit. Die Leute fahren damit zur Arbeit, zum Einkaufen und sogar in den Urlaub. Es ist ein Lebensgefühl, ein Lifestyle-Produkt. Und auch im Bereich der Mikromobilität – also der sogenannten letzten Meile – ist es auf dem Vormarsch. Wo früher Lieferanten in der zweiten Reihe die Straßen verstopften, sind heute vermehrt Lastenräder unterwegs. In meinen Augen wird dieser Trend weiter zunehmen, die goldenen Jahre des Fahrrads haben gerade erst angefangen.
Mehr Informationen unter: www.pendix.de.