Der Absturz des belgischen E-Bike-Herstellers Cowboy ist kein Opfer der Konjunktur, sondern das Ergebnis jahrelanger strategischer Fehleinschätzungen, qualitativer Mängel und einer hybriden Wachstumsillusion. Der jetzt veröffentlichte Jahresbericht 2024 liest sich wie ein Lehrstück dafür, wie ein einst gefeiertes Start-up durch Selbstüberschätzung, mangelnde Krisenresistenz und eine Kultur der Schönfärberei an den Rand der Insolvenz getrieben wird. Die Zahlen sind vernichtend – doch noch vernichtender ist die Erkenntnis, dass viele der Probleme hausgemacht sind.
Vom Hype zur Pleite: Wie Cowboy die Realität ignorierte
Noch 2023 versprach CEO Adrien Roose die „Profitabilität für 2024“ – ein Versprechen, das sich nun als leere Rhetorik entpuppt. Stattdessen:
- Umsatz im freien Fall: Von über 40 Mio. Euro (2022) auf 21,7 Mio. Euro (2024) – ein Einbruch um 30 Prozent in nur zwei Jahren.
- Verluste explodiert: 21,2 Mio. Euro Verlust bei 21,7 Mio. Euro Umsatz – das Unternehmen verbrennt fast jeden verdienten Euro.
- Schuldenberg unkontrollierbar: 56 Mio. Euro Verbindlichkeiten, Eigenkapital bei minus 43 Mio. Euro. Die Zinslast allein frisst 5 Mio. Euro pro Jahr – bei einem operativen Geschäft, das längst nicht mehr trägt.
Dabei war Cowboy kein Opfer eines „schwierigen Marktumfelds“, wie es der Bericht suggeriert. Während Konkurrenten ebenfalls unter den E-Bike-Boom-Nachwehen litten, verschärfte Cowboy seine Krise durch eigene Fehler:
- Überstürzter Expansionskurs ohne stabile Lieferketten.
- Qualitätsdesaster: Der Rückruf tausender E-Bikes wegen brechender Rahmen (Produktion 2021–2023 durch den chinesischen Zulieferer Ming) kostet das Unternehmen 5,6 Mio. Euro – und das Vertrauen der Kunden.
- Service-Kollaps: Kunden warten monatelang auf Ersatzteile oder Reparaturen. Selbst Abo-Kunden des Premium-Service „Cowboy Care“ (240 Euro/Jahr) werden vertröstet – ein Skandal für ein Unternehmen, das sich als „Premium-Marke“ inszenierte.
Rettung durch ReBirth? Ein verzweifelter letzter Strohhalm
Die einzige Hoffnung liegt nun bei der französischen Rebirth Group, die bereits insolvente Marken wie Solex oder Matra übernahm. Doch selbst hier zeigt sich Cowboys mangelnde Verhandlungsmacht:
- Der „Term Sheet“ mit ReBirth ist noch nicht unterzeichnet.
- Die geplante „Refinanzierung“ würde eine Schulden-zu-Eigenkapital-Umwandlung erfordern – doch ob Investoren bereit sind, weitere Millionen in ein Unternehmen zu stecken, das seit Jahren keine stabile Bilanz vorweisen kann, ist fraglich.
- Selbst im Erfolgsfall wäre Cowboy nur ein weiteres Sanierungsprojekt im Portfolio von ReBirth – kaum ein Zeichen für eine „solide Zukunft“, wie es die Unternehmensführung behauptet.
Kunden im Stich gelassen: Vertrauen ist unwiederbringlich zerstört
Cowboys größtes Kapital war einst seine Community. Doch diese wurde systematisch enttäuscht:
- Bezahlte, aber nicht ausgelieferte E-Bikes: Ende 2024 hatte das Unternehmen 6,3 Mio. Euro für Räder kassiert, die es nicht ausliefern konnte.
- Händler springen ab: Partner wie Upway haben Cowboy-Modelle aus dem Sortiment genommen, weil Reparaturen „praktisch unmöglich“ seien.
- Service-Chaos: Selbst einfache Wartungsarbeiten sind für Kunden nicht mehr verfügbar – ein offenes Eingeständnis des Scheiterns.
Fazit
Der Fall Cowboy ist kein Beweis für die Schwäche des E-Bike-Markts, sondern für die Arroganz eines Managements, das jahrelang Realitäten ignorierte. Statt rechtzeitig die Kosten zu konsolidieren, die Qualität zu sichern oder transparente Kommunikation zu pflegen, setzte das Unternehmen auf Expansion um jeden Preis – und scheitert jetzt wohl kläglich. Dass Cowboy nun einen „Strategieplan bis 2030“ vorlegt, wirkt wie Hohn. Ein Unternehmen, das nicht einmal in der Lage ist, seine aktuellen Lieferverpflichtungen zu erfüllen, hat keine Glaubwürdigkeit für langfristige Pläne. Sollte die Rettung durch ReBirth scheitern, wäre das kein tragisches Ende, sondern eher eine überfällige Marktbereinigung.
Die eigentliche Frage lautet daher:
Warum wurde ein Unternehmen, das seit 2017 über 123 Mio. Euro Verluste angehäuft hat, nicht längst radikal umstrukturiert – statt mit leeren Versprechen an Investoren und Kunden weiterzumachen?
Mit Informationen von Jahresbericht Cowboy 2024 (Nationalbank Belgien), De Tijd (05.09.2025), RetailDetail EU, Bike-EU.
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