Als das Bosch eBike ABS der 2. Generation vorgestellt wurde, waren wir vor Ort in Frankfurt und haben dieses umgehend ausprobiert. Dies aber nur in urbaner Umgebung. Von außen fällt einem natürlich die ungleich zurückhaltendere Integration im Gegensatz zum Vorgänger auf.
Von der unförmigen Box an der Front ist nichts mehr übrig und das Steuergerät zu einem unscheinbaren Kästchen an der Federgabel mutiert. Doch dieses hat es in sich. War früher nur ein Modus möglich, sind es heute deren vier, in welchem sich das eBike ABS vorab auf die Gegebenheiten anpassen lassen kann. Drei von vier Modi sind dabei so narrensicher gestaltet, dass man als Laie den Unterschied beim Bremsen kaum bemerkt, aber der vierte Modus geht einen anderen Weg.
Und dieser Trail-Modus hatte es uns auch angetan, denn viele erfahrene Mountainbiker fragen sich, wie und ob überhaupt ein ABS ihnen beim Bremsen helfen kann. Also sind wir mit einem entsprechend ausgerüsteten eMTB von Bosch in den Wald und haben es ausprobiert.
Die Bauteile des Bosch eBike ABS
Bosch eBike Systems hat uns ein Testbike zur Verfügung gestellt, welches auf einem Mondraker Crafty aufgebaut war. Das tut aber nichts zur Sache, denn uns ging es natürlich rein um das ABS an sich. ABS am Zweirad gibt es schon lange und als Ein-Kanal-ABS regelt das Bosch eBike ABS der 2. Generation nur die Bremskraft am Vorderrad.
Im Gegensatz zu manch anderen Systemen besitzt das System aber Drehzahlsensoren an Vorder- und Hinterrad, um hieraus den Drehzahlunterschied zu erkennen und die Funktionen „Hinterrad hebt ab“ und „Vorderrad blockiert“ abzuleiten.
Die Erfassung der Drehzahl erfolgt induktiv über Sensoren, welche dreimal pro Millisekunden über einen Impulsring an der Bremsscheibe die aktuelle Drehzahl der Räder erfassen und diese Informationen in Echtzeit dem Steuergerät zur Verfügung stellen.
Das Steuergerät bzw. der Aktor und seine Größe und Position am E-Bike gaben bei der ersten Generation Anlass für Kritik und waren wohl auch ein Grund, dass sich das erste Bosch eBike ABS nicht wie gewünscht verbreitet hat. Das klobige Gerät vor dem Vorbau ist allerdings jetzt Geschichte und wurde bei der 2. Generation durch eine kompakte Einheit ersetzt, die ziemlich unscheinbar an einer kompatiblen Federgabel ihren Platz findet.
Zur Vorstellung gab es „nur“ die Magura MT C ABS Bremsanlage, die mit dem neuen Antiblockiersystem zusammenspielt. Die Bad Uracher waren auch federführend bei der Entwicklung des neuen Bosch eBike ABS, inzwischen hat sich das System auch in Richtung Tektro/ TRP geöffnet, auch um die Verbreitung zu steigern.
Die Bremshebel der Magura MT C haben so an einem E-MTB leider nichts verloren. Wir mussten hier für den Test aber trotzdem in den sauren Apfel beißen. Der jetzt größere Geberzylinder allerdings weist nicht mehr die Merkmale der ersten ABS-Generation auf, die sich durch Pulsieren und Leerlaufen auszeichnete. Jetzt bremst man ohne Pulsieren und durchgängig wie bei einer konventionellen Bremse, was eine weitere Einstiegshürde für das System ad acta legt.
Ob das ABS betriebsbereit ist, muss bei Aktivierung des Systems angezeigt werden. Die große Leuchte der ersten eBike ABS Generation wurde nicht weiter übernommen, sondern findet sich als orange LED an der LED Remote wieder.
Diese leuchtet bei Start und geht nach einiger Zeit aus, wenn alles in Ordnung ist, so wie man es wohl vom Auto kennt. Auch im Kiox 300-Display werden Informationen dazu angezeigt, wenn vorhanden bzw. genutzt. Das Bosch eBike ABS funktioniert dann nur, wenn man schneller als 6 km/h unterwegs ist.
Das waren die technischen Komponenten im Überblick. Wer hier mehr wissen möchte, sollte sich unsere extra Beiträge ansehen, die wir im Rahmen der Vorstellung bereits letztes Jahr veröffentlicht haben. Uns geht es jetzt speziell um die Funktion der Komponenten an einem E-Mountainbike und wie sich das eBike ABS hier beim Fahren auswirkt.
Bosch eBike ABS Gen. 2 – Trail-Modus im Test
Normalerweise arbeitet das ABS ja mit Fokus auf maximale Sicherheit, d.h. kein Abheben des Hinterrades und minimaler Schlupf am Vorderrad beim Bremsen. Dies ist in allen Modi so, in Sachen Algorithmus noch speziell angepasst für Cargo, Touring und Allroad. Beim Trail-Modus aber hat man den Algorithmus so gestaltet, dass die Schlupfgrenze bei Einhaltung aller Sicherheit maximal herausgezögert wird und man so auch typische MTB-Moves wie z.B. einen Nose Pivot etc. durchführen kann.
Weniger erfahrenen Mountainbikern ist Letzteres nicht so wichtig, sondern eher der Gewinn an Selbstvertrauen, welches die Technik generieren kann. Aufgrund starken Bremsens vornüber zu kippen, konnte bei uns jedenfalls im Test auch an steilen Downhills nicht provoziert werden. (Unterhalb von 6 km/h kann man diesen Stunt natürlich immer hinbekommen. 😉 )
Als Folge steht man automatisch zentraler im Bike, so wie man es eigentlich sollte. Ein Zurücklehnen über das Hinterrad wird vermieden und das Vorderrad durch die richtige Körperhaltung folglich besser belastet, was der Spurführung auf dem Trail und vor allem im Steilen und dem Grip beim Bremsen zuträglich ist.
Auch Bremsmanöver auf losem oder teilweise sehr matschigen Grund sorgten bei unseren Fahrten bei verschiedenen Wettersituationen nicht für gefährliche Situationen, sondern konnten mit Bravour gemeistert werden. Dies auch steil bergab, in Anliegern, über einen Wurzelteppich oder auf sehr losem Untergrund mit groben Steinen.
Der Bremsvorgang fühlt sich auch dabei genau so an, wie man es von einer Bremsanlage ohne ABS auch gewohnt ist, aber eben ohne Blockieren. Kein pulsierender Hebel oder nachlassender Druckpunkt, was das Vertrauen beim E-Mountainbiken in das eBike ABS weiter erhöht. Insgesamt macht es einen zu einem besseren Fahrer.
Die Länge des Bremsweges haben wir auf verschiedenen Untergründen mit aktiviertem und deaktivierten ABS mit Hilfe von Markierungen verglichen. Bei diesen Versuchen war die konventionelle Bremsung kein einziges Mal besser als jene mit Unterstützung durch das eBike ABS von Bosch.
Wir haben auch ausprobiert, was passiert, wenn man während eines Sprungs beide Bremshebel voll zieht und dann landet: nichts. Man kommt ganz normal zum Stehen, als ob man bei vollem Grip bremst. Das war zwar rein theoretisch zu erwarten, hat aber dennoch bei unseren Versuchen fasziniert.
Für Profis hat das System auch etwas zu bieten, auch wenn diese oft meinen, besser bremsen zu können als die Maschine. Auf dem Kiox 300 zeigt das Bosch eBike ABS jeweils die Bremsdauer und die zurückgelegten Meter der letzten Bremsung an. Möchte man sich beispielsweise an einen bestimmten Bremspunkt herantasten, z.B. um sich auf ein bevorstehendes Rennen vorzubereiten, kann einem das System sehr dabei helfen.
So kann man lernen kürzer, aber dafür härter zu bremsen und sich dabei trotz aller Erfahrung noch weiter verbessern. Auch auf Strecken, die man aus dem Effeff kennt, kann man durch das ABS bestimmte Schlüsselstellen noch besser meistern, wie unser Profi-Fahrer Kimi auf zahlreichen Fahrten mit dem ABS-eMTB selbst herausgefunden hat.
Ebenso hat ein verbautes eBike ABS keine Nachteile für erfahrene Nutzer, es lässt in niedrigen Geschwindigkeitsbereichen (< 6 km/h) alles zu, was man in Sachen Hinterrad versetzen, Nose Pivot oder Stoppie auch mit einem (E-)MTB ohne das Antiblockiersystem anstellen kann.
Zudem kann das System ausgeschaltet werden und verhält sich dann so, wie man es vom einer konventionellen Bremsanlage gewohnt ist. Vielleicht ist es für manche Nutzer nur ein Problem, sich nach längerer Zeit des Fahrens mit ABS wieder auf konventionelles Bremsen umzustellen und legen sich dabei erst einmal auf die Nase.
Was uns noch aufgefallen ist: Fährt man längere Zeit einen Wheelie, setzt das System eine Fehlermeldung und man muss neu starten, um ein funktionierendes ABS zu haben. Gleiches gilt, wenn man das Hinterrad hochhebt und die Kurbel von Hand durchdreht.
Wir werden zu diesem Beitrag zeitnah noch ein Video veröffentlichen, welches wir dann hier einbinden. Damit sollte die Wirkungsweise noch anschaulicher werden.
Fazit
Für uns ist aufgrund der Erfahrungen aus dem Test das Bosch eBike ABS der 2. Generation ein regelrechter Gamechanger, denn es ermöglicht einem Fehler und eventuelle Stürze durch falsches Bremsen zuverlässig zu vermeiden. Zudem verhilft es auch weniger erfahrenen Nutzern zu einer besseren Körperhaltung auf dem Trail, besonders im Steilen. Diese Zielgruppe wächst stetig und damit adressiert das ABS viele Einsteiger oder Umsteiger, die sich dann erstmals auf die Trails im Wald wagen. Aber auch erfahrene Nutzer und sogar Profis können von dem System profitieren. Zum einen hilft es gegen „Verbremser“ aufgrund eines unerwarteten Hindernisses, bei widrigen Bedingungen oder einem sonstigen Fehler. Zum anderen kann es einem auch helfen, sich an bestimmten Stellen auf der Strecke zu verbessern und beispielsweise einen Bremspunkt besser oder zielgenauer zu erwischen.
- sehr gute Abstimmung
- gute Integration
- einfache Bedienung
- großer Sicherheitsgewinn
- nur wenige Bremsanlagen kompatibel (bis jetzt)
Transparenzhinweis: Das Testmuster mit Bosch eBike ABS wurde uns seitens Bosch eBike Systems für den Testzeitraum kostenlos und ohne Auflagen zur Verfügung gestellt. Auf das Testergebnis und unsere Meinung hatte dies keinen Einfluss.