Jedes Jahr werden mehr Elektrofahrräder verkauft – 2016 waren es 560.000 Stück. Fahren mit Elektrounterstützung macht einfach Spaß – jeder, der es ausprobiert, ist fasziniert vom Fahrvergnügen. Aber ist das Elektrofahrrad ‘nur’ ein Freizeitgerät – oder hat es das Potenzial, im Alltag auf bestimmten Strecken das Auto zu ersetzen? Der folgende Beitrag fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus einer Reihe von Studien zum Thema Elektrofahrrad zusammen:
Perspektivwechsel beim Elektrofahrrad
Hersteller präsentieren ihre Elektrofahrräder und Pedelecs nicht nur auf Fahrradmessen, sondern sehr selbstbewusst auch auf urbanen Lifestyle-Messen oder im Rahmen von New Mobility auf Automobilmessen wie der IAA. Damit stellt sich das Elektrofahrrad als interessantes Transportmittel für kurze und mittlere Distanzen vor – nicht nur als Alternative zum Fahrrad, sondern auch als Alternative oder Ergänzung zum Auto oder dem ÖPNV.
Das ist bereits im Handel spürbar: das Interesse an Rädern mit Elektroantrieb ist weniger saisonabhängig als das Interesse an Fahrrädern ohne Antrieb. Testfahrten werden ganzjährig nachgefragt und die Zuverlässigkeit des Akkus im Winter ist ein wichtiges Thema bei der Kaufentscheidung.
Nutzer von Elektrofahrrädern setzen diese Perspektivänderung im Alltag um: während bisher bei schlechter Witterung das Fahrrad stehen blieb und das Auto oder der ÖPNV gewählt wurde, fährt man mit dem Elektrofahrrad auch an Tagen mit Regenrisiko oder kühlen Temperaturen. Der kleine Elektroantrieb und das damit verbundene Fahrgefühl helfen, den ‘inneren Schweinehund’ zu überwinden. Die Entscheidung für das Elektrofahrrad wird im Alltag zunehmend selbstverständlich.
Worin liegt das Erfolgsgeheimnis des Elektrofahrrads?
Das Fahren mit einem Fahrrad mit Elektroantrieb wird gleich auf den ersten Metern zum Schlüsselerlebnis: die Begeisterung entsteht bereits mit den ersten Pedal-Umdrehungen.
Das Zusammenspiel von Fahrer und Technik macht Elektrofahrräder zu einem Hybridfahrzeug, das weit mehr ist als ‘nur’ ein Fahrrad mit Hilfsmotor – und damit auch bisher Fahrrad-ferne Zielgruppen überzeugen kann: während für sie ein herkömmliches Fahrrad das Auto nur bedingt ersetzen kann, erscheint ihnen das Elektrofahrrad dafür besser geeignet. Intelligente Technik, die die eigene Reichweite und Leistungsfähigkeit erweitert, nivelliert alle Argumente, die bisher gegen das Fahrrad angeführt wurden: mit Tretunterstützung es ist nicht mehr zu anstrengend und unbequem, das Rad zu nehmen.
Dieses positive Fahrgefühl wird bei der alltäglichen Nutzung verstärkt durch die damit verbundene Lösung der typischen Verkehrsprobleme in Innenstädten: am Stau vorbeifahren zu können, keinen Parkplatz suchen zu müssen, bedeutet Freiheit und Unbeschwertheit und ist Stressreduktion pur.
Mobilität wird neu gedacht. Welche Chance hat dabei das E-Bike?
‘Wie komme ich von A nach B?‘ Bei der Beantwortung dieser Frage war der Fokus bisher auf das Verkehrsmittel gereichtet, meist wurde das Auto genannt. Inzwischen denken immer mehr Menschen in Großstädten und Ballungsgebieten um, sehen die ganze Sache pragmatisch und überlegen pro Strecke, welche Möglichkeit die Beste ist. Schnell und komfortabel am Ziel anzukommen hat dabei Priorität vor dem Verkehrsmittel an sich.
In diesem Kontext überzeugt das E-Bike absolut: es ist dem Auto auf dem Weg durch die Stadt weit überlegen, es ist im Vergleich zum ÖPNV wesentlich flexibler – und es macht Spaß, bringt Menschen in Bewegung und hält damit fit und gesund. Individuelle Mobilität at its best.
Wer begeistert sich nun für das E-Bike?
Die inzwischen breite Modellpalette weckt Aufmerksamkeit nicht nur bei den Senioren, die das erste Kapitel der Erfolgsgeschichte des Elektrofahrrades geschrieben haben und deshalb hier durchaus als Trendsetter bezeichnet werden können: die Tiefeinsteigermodelle der Anfangszeit entsprachen ihren Bedürfnissen und die Unterstützung durch den Elektroantrieb überzeugte die ‘Silver Ager’.
In den letzten Jahren hat sich der Markt rasant entwickelt und es gibt inzwischen eine große Auswahl an unterschiedlichsten Modellen und Designs – vom puristischen Rennrad mit im Rahmen verstecktem Akku und nahezu unsichtbarem Antrieb über sportliche Mountainbikes bis zu trendigen Fatbikes. Diese Vielfalt weckt das Interesse von Zielgruppen, für die das Tiefeinsteigerfahrrad mit Antrieb aus der Anfangszeit nie in Frage gekommen wäre.
Mit den neuen Modellen gewinnt das Elektrofahrrad für sie klar an Attraktivität. Außerdem wächst die Erkenntnis, dass mit dieser innovativen Technik Mobilität zeitgemäß neu definiert werden kann. Interessant zu beobachten ist, dass immer häufiger von E-Bikes gesprochen wird, wenn es um Elektrofahrräder oder Pedelecs geht. Offensichtlich scheinen beide Begriffe nicht mehr so gut zu den coolen Modellen zu passen, die neben den Tiefeinsteigern zu haben sind.
Betrachtet man die neuen E-Bike-Begeisterten genauer, fallen zwei Zielgruppen besonders auf: die nächste Generation 60+ und die jungen Großstädter.
Autobegeisterte Babyboomer steigen um
Babyboomer, zwischen 1955 und 1965 geboren, haben wie keine andere Generation davor eine Prägung auf das Auto erfahren: sie haben früh im Leben ihren Autoführerschein gemacht und ein eigenes Auto zur Verfügung zu haben war immer immens wichtig. Für sie steht das Auto ganz klar für Freiheit, Flexibilität und Individualität. Deshalb erleben sie verkehrsbedingte Einschränkungen wie Staus oder Parkplatznot besonders drastisch.
Das E-Bike gibt ihnen die Freiheit und Flexibilität wieder zurück, die das Auto nicht mehr auf allen Strecken und bei der Parkplatzsuche bieten kann. Deshalb sehen sie das E-Bike als interessantes und zukunftsweisendes Transportmittel, für das sie das Auto gerne in der Garage lassen.
Urban Professionals entdecken den Elektroantrieb
E-Bikes wecken auch großes Interesse bei denjenigen, die in der Stadt wohnen, arbeiten und dort einen Großteil ihrer Freizeit verbringen: mobil zu sein ist ihnen sehr wichtig. Für sie fügen sich E-Bikes nahtlos in die anderen Mobilitätsangebote der Großstadt – wie beispielsweise ÖPNV oder Car-Sharing – ein.
Das E-Bike bringt ihnen die Flexibilität, die sie im Alltag brauchen und schätzen. Außerdem unterstreichen E-Bikes ihr Selbstverständnis, der Zeit immer einen Schritt voraus und damit Trendsetter für neue Ideen und Angebote zu sein.
Attraktive Sondermodelle
Für junge Familien erfüllen E-Lastenräder mit ihrer innovativen Technik effizient und lösungsorientiert alle Mobilitätsansprüche im Wohnquartier: die Transportkapazität ist komfortabel groß, die Transportbox bietet hohe Nutzungsvariabilität und mit dem Lastenrad kann man bis vor die Tür fahren.
Dies und die wachsende Auswahl an unterschiedlichen Modellen und Ausstattungen machen E-Lastenräder in den Augen junger Familien gerade in der Großstadt zu einem begehrten Fortbewegungsmittel. In Kombination mit Car-Sharing Angeboten lassen viele E-Lastenradbesitzer gerne das eigene Auto stehen oder schaffen es ganz ab.
Wie geht es weiter?
Für die weitere Verbreitung von E-Bikes sind Babyboomer und Urban Professionals deshalb interessant, weil sie als Vorreiter einer neuen Mobilitätskultur auch andere auf Elektromobilität mit zwei und drei Rädern aufmerksam machen werden. Wichtig für Hersteller und Händler: wenn E-Bikes stärker als eigenständige Verkehrsmittel und weniger als ‘Ableger’ des Fahrrades wahrgenommen werden, werden sich die Ansprüche der Käufer verändern: individuelle Beratung bei der Kaufentscheidung und vor allem umfassender Service nach dem Kauf werden die Zufriedenheit der Kunden und die Bindung an ‘ihre’ Marke ebenso prägen, wie die Qualität von Antrieb, Akku und Rad.
Mehr Informationen zu den Studien und Projekten finden Sie auch direkt unter www.70EINS.de.
Dies war ein Gastbeitrag von Ursula Kloé von 70EINS aus Heidelberg. Mehr Informationen zur Forschungs- und Beratungsagentur mit Schwerpunkt E-Mobility / Persona- und Strategie-Entwicklung finden Sie auf deren Webseite und auch direkt per Telefon unter +49 172 6224015.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von WINGWHEELS. Mehr unter www.wingwheels.de oder auch auf Instagram.