Was sagen die Parteien vor der Bundestagswahl zur Pedelec-Förderung?
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Am 19. Juli 2017 schickten wir per Email die unten dokumentierte Frage samt Unterfragen an die Parteizentralen von CDU, CSU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Bundestagsfraktionen für Verkehrspolitik und für Fahrradpolitik.

Bis zum 27. August 2017 antworteten

  • für die CDU/CSU: der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Ulrich Lange
  • für die SPD: der Parteivorstand
  • für Die Linke: die verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Sabine Leidig
  • für Bündnis 90/Die Grünen: der für Fahrradpolitik zuständige Abgeordnete Matthias Gastel und
  • für die FDP: die Generalsekretärin Nicola Beer

Wir dokumentieren die Antworten hier in voller Länge entsprechend der Form der Antworten: von CDU/CSU, SPD und FDP als Einzelantworten auf Teilfragen und von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen als zusammenhängende Antworten.

Abschließend folgt der thematische Hintergrund, den wir gemeinsam mit den Fragen verschickt hatten. Zum heutigen Start der internationalen Fahrradleitmesse Eurobike in Friedrichshafen haben wir die Wahlprüfsteine auf unseren Fahrrradblogs iswaf.de und cargobike.jetzt veröffentlicht.

Daniel Doerk, iswaf.de
Arne Behrensen, cargobike.jetzt

Frage

Teilen Sie die Einschätzung, dass nicht umwelt- und verkehrspolitische Effekte, sondern eine in Absatzzahlen bemessene Marktreife das entscheidende Kriterium bei der Einführung einer Kaufprämie für Elektrofahrzeuge sein sollen und, dass damit eine allgemeine Kaufprämie für Pedelecs äquivalent zur Kaufprämie für E-Autos nicht sinnvoll ist?

a) Wenn nein: Setzen Sie sich nach der Bundestagswahl für eine bundesweite Kaufprämie für Pedelecs ein?

  • Wenn nein, wieso nicht?
  • Wenn ja: In welcher Höhe sollte die Förderung liegen (Anteil am Kaufpreis, Maximalsumme) und sollte sie auf spezielle Nutzungsformen (privat, gewerblich, Sharing-Angebote) oder Antriebsstärken (Pedelec 25, Pedelec 45) beschränkt werden?

Einzelantworten

CDU/CSU: Wir sind gegen eine Kaufprämie für Pedelecs auf Bundesebene. Die Verkaufszahlen steigen jährlich, so dass wir keinen Bedarf für eine Förderung sehen. Wir begrüßen es aber, wenn betroffenen Städte und Länder, eine solche Unterstützung im Sinne der Förderung der Fahrrad-Mobilität ermöglichen.

SPD: Solche Förderinstrumente sollen dazu dienen, einen Markthochlauf zu unterstützen, sofern erforderlich. Wir erachten eine Kaufprämie für Pedelecs für nicht notwendig, da erfreulicherweise die Zahlen eindeutig zeigen, dass bereits eine Marktdurchdringung erfolgt ist. Wir sehen die Zunahme von Pedelecs und E-Bikes in Deutschland sehr positiv. Aus unserer Sicht ist es daher vielmehr geboten, für diese Fahrräder mehr Ladestationen zur Verfügung zu stellen, dazu bieten sich auch öffentliche Gebäude an.

Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen: siehe zusammenhängende Antworten unten

FDP: Wir Freien Demokraten stehen der Subventionierung von Produkten grundsätzlich kritisch gegenüber.

b) Wenn ja: Setzen Sie sich nach der Bundestagswahl für eine bundesweite Kaufprämie speziell für E-Lastenfahrräder ein, denen Studien große Potentiale zuschreiben, deren Absatzzahlen jedoch bisher vergleichbar mit denen von E-Autos sind?

  • Wenn ja: In welcher Höhe sollte die Förderung liegen (Anteil am Kaufpreis, Maximalsumme) und sollte sie auf spezielle Nutzungsformen (privat, gewerblich, Sharing-Angebote) oder Antriebsstärken (Pedelec 25, Pedelec 45) beschränkt werden?
  • Wenn nein: Mit welchen alternativen Instrumenten des Bundes wollen Sie nach der Bundestagswahl die umwelt- und verkehrspolitischen Potentiale speziell von E-Lastenrädern fördern oder sehen Sie dazu keine politische Notwendigkeit?

Einzelantworten

CDU/CSU: Wir wollen die Förderung der Elektromobilität deutlich ausbauen. Hierzu zählen auch E-Lastenfahrräder. Eine bundesweite Kaufprämie für jedermann sehen wir nicht. Jedoch streben wir eine Förderung nach dem Vorbild des Street-Scooters der Deutschen Post an. Die Umrüstung der Fuhrparks von Behörden und Handwerksbetrieben sollen nach diesem Vorbild gefördert werden. Hierunter zählt auch die Förderung der Umrüstung auf E-Lastenfahrräder.

SPD: Das Fahrrad ist für uns nicht nur ein individuelles Fortbewegungsmittel, sondern auf kürzeren Strecken auch ein sinnvolles Transportmittel für kleinere Güter und Waren. Daher möchten wir insbesondere in emissionsbelasteten Innenstädten den Einsatz von Lastenrädern voranbringen. Dafür werden wir kräftig in die Infrastruktur für den Fahrradverkehr investieren. Dazu gehören mehr innerörtliche Fahrradspuren, sichere Abstellmöglichkeiten und regionale Radschnellwege. Für E-Bikes müssen außerdem mehr Ladestationen unter anderem an öffentlichen Gebäuden zur Verfügung gestellt werden.

Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen: siehe zusammenhängende Antworten unten

FDP: Die Förderung von Potentialen einzelner Produkte ist nicht Aufgabe des Staates. Es ist Aufgabe der Hersteller, ihre Produkte attraktiv und an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden orientiert zu gestalten. Wir vertrauen auf die Entwicklung am Markt. Sollten E-Lastenfahrräder den Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Vergleich zu Konkurrenzprodukten am ehesten genügen, wird sich diese Form des Fortbewegungsmittels am Markt durchsetzen.

Zusammenhängende Antworten

Die Linke: DIE LINKE hat die pauschale Kaufprämie für Elektro-Kfz von Anfang an abgelehnt. Sie führt z.B. dazu, dass sich Gutverdienende einen elektrischen Zweit- oder Drittwagen zulegen. Insofern geht es dabei ganz klar um Absatzzahlen für die Automobilindustrie, die den Trend weg vom Verbrennungsmotor verschlafen hat. Zu mehr Klimaschutz oder einer Verkehrswende wird diese Kaufprämie nichts wesentlich beitragen. Zumal der Mehrbedarf an elektrischer Energie heute auch noch aus Kohleverstromung kommt und der Raubbau an Eisenerz oder Lithium zur Herstellung der Autos Lebensgrundlagen zerstört und Ressourcen verschleudert. Eine echte Verkehrswende muss unter dem Motto „Mobilität für alle mit weniger Verkehr“ stehen. So muss das Ziel sein, möglichst viele motorisierte Wege überflüssig zu machen – insbesondere im Güterverkehr, aber auch durch die „Stadt der kurzen Wege“. Wir setzen zudem auf den Umweltverbund um flexible und gute Mobilität für alle mit möglichst wenig Lärm, Abgasen und Energieverbrauch zu gewährleisten. Dabei müssen die Bedingungen für das Zufußgehen, das Radfahren und für Bus und Bahn verbessert werden. Staatliche Fördermittel machen Sinn, wenn die Fahrzeuge dann tatsächlich viele Fahrten mit umweltschädlicheren Autos ersetzen. So halten wir gezielte Mittel für Busse, Taxen sowie für den städtischen Wirtschaftsverkehr (Pflegeund Lieferdienste, Handwerker u.a.) für hilfreich. Die Entlastungswirkung für Mensch und Umwelt wäre damit deutlich höher und auch so könnte ein Entwicklungsschub bei der Fahrzeugtechnik bewirkt werden. Noch größer ist aber die Entlastung, wenn statt Autos oder Lieferwagen Fahrräder, Pedelecs oder (E-)Lastenräder unterwegs sind. Als ein geeignetes Steuerungsinstrument wollen wir das Dienstwagenprivileg und die Entfernungspauschale radikal reformieren. Die Steuerbefreiung für Strom vom Arbeitgeber muss auch für Pedelec 25 gelten. Zudem könnten wir uns vorstellen, für Produkte und Dienstleistungen rund ums Fahrrad nur den reduzierten Mehrwertsteuersatz zu erheben. Wir sehen in Lastenrädern ein großes Potential zur Entlastung der Städte. Ihr Einsatzfeld wird immer größer, auch weil es immer mehr Modelle gibt – vom nichtmotorisierten Zweirad bis zum Vierrad mit Pedelec-45-Unterstützung und vollwertiger Regenverkleidung. Hier halten wir die Förderung einer bedarfsgerechten Entwicklung für sinnvoll. DIE LINKE will mit einem Bundesprogramm den Kauf von Lastenrädern unterstützen, mit Schwerpunkt auf gewerblicher Nutzung und Verleihsystemen. Für die genaue Ausgestaltung sollten die bisherigen lokalen Programme ausgewertet sowie der Bedarf ermittelt werden. Für uns ist eine Größenordnung eines 25%-Zuschusses bis zu einer Höhe von 1.500,- vorstellbar, bei Abmeldung eines Kfz auch mehr. Eine Beschränkung oder Differenzierung nach Antriebsstärke halten wir derzeit für unnötig. Eine allgemeine Kaufprämie für Pedelecs halten wir derzeit nicht für sinnvoll. Um eine echte Verkehrswende anzustoßen und insbesondere auch den Fahrradverkehr zu fördern, wollen wir einen kommunalenVerkehrswendefonds auflegen. Hiermit sollen vom Bund lokale Maßnahmen wie Radwegebau, Verkehrsberuhigung, ÖPNV-Ausbau und andere Projekte gefördert werden. Über die Maßnahmen selbst muss vor Ort demokratisch entschieden werden, da dieVerhältnisse und Bedürfnisse sehr unterschiedlich sein können. So ist denkbar, dass damit z.B. in bergigen Kommunen auch ein Zuschuss für ein privates Pedelec gewährt werden kann. Oder dass Kommunen ein „Begrüßungspaket für Neubürger*innen“ vergeben, in denen auch ein Zuschuss für ein Pedelec, (E-)Lastenrad oder einen Fahrradanhänger enthalten ist. Dabei müssen natürlich auch Neugeborene als Neubürger*innen gelten, denn gerade bei der Familiengründung verändern sich die Mobilitätsbedürfnisse – und sollten in eine möglichst umweltfreundliche Richtung gelenkt werden.

Bündnis 90/Die Grünen: Für uns Grüne sind umwelt- und verkehrspolitische Effekte entscheidend, wenn es um die Einführung von Kaufprämien für Verkehrsmittel geht. Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium ist die in Absatzzahlen bemessene Marktreife eines Produkts. Denn die Fördermittel der öffentlichen Hand stammen aus Steuergeldern und sollten dort investiert werden, wo sie den größten Nutzen bringen und am dringlichsten gebraucht werden. Lastenräder sind vielfältig einsetzbar und bieten große Potentiale für einen nachhaltigen, städtischen Gütertransport. Eine Studie im Auftrag der EU hat ermittelt, dass die Hälfte aller Warentransporte in europäischen Innenstädten von Lastenrädern übernommen werden könnten. Aktuell haben Lastenräder allerdings noch keine Marktreife erlangt und können ihre Potentiale noch nicht voll ausschöpfen. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in den hohen Anschaffungskosten, die laut einer Studie des Deutschen Instituts für Luft und Raumfahrt (DLR) eine erhebliche Zugangsbarriere insbesondere für E-Lastenräder sind. Wir Grüne wollen diese Zugangsbarriere durch einen Kaufanreiz für elektrisch unterstützte Lastenräder abbauen. In unserem Programm für die Bundestagswahl fordern wir finanzielle Zuschüsse für den Kauf von E-Lastenrädern. Wir wollen dadurch die Elektromobilität im Straßenverkehr gezielt fördern und Kommunen unterstützen, die ihren innerstädtischen Logistikverkehr auf E-Fahrzeuge und Lastenfahrräder umstellen. Von großer Bedeutung für eine nachhaltige urbane Mobilität sind auch Lastenrad-Sharing-Konzepte. Diese sind besonders für diejenigen interessant, die ein Lastenrad nur gelegentlich nutzen möchten. Wir Grüne wollen durch ein zeitlich befristetes Bundesprogramm den Aufbau von 2000 E-Lastenrad-Verleihstationen unterstützen. Obwohl auch Pedelecs positive Umwelt- und Verkehrseffekte besitzen, halten wir Grüne eine bundesweite Kaufprämie für Pedelecs vor dem Hintergrund der hohen und kontinuierlich steigenden Verkaufszahlen nicht für notwendig. Die E-Auto-Prämie der Bundesregierung lehnen wir in dieser Form ab, denn sie ist ein unsozialer Rohrkrepierer ohne ökologische Lenkungswirkung. Statt über allgemeine Steuergelder, fordern wir Grüne, dass Kaufzuschüsse für E-Autos in Form eines Bonus-Malus-Systems finanziert werden. Dabei werden Autos mit hohem Verbrauch höher besteuert und finanzieren einen Bonus für E-Autos.

Begleitender Hintergrund der Fragesteller

Zur Förderung der Elektromobilität hat die Bundesregierung 2016 eine Kaufprämie für E-Autos beschlossen und dafür 400 Millionen aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt. Eine vergleichbare Kaufprämie für Pedelecs € wurde bisher mit dem Hinweis auf deren Verkaufszahlen (zuletzt über 500 000 jährlich verkaufte Modelle) abgelehnt.

Das Umweltbundesamt äußerte 2014 in seiner Studie zu den Potenzialen von Pedelecs: „Aus Umweltsicht ist diese Art von Elektrofahrzeugen zu begrüßen und sollte aktiv beworben und gefördert werden, um noch mehr neuen Nutzergruppen Pedelecs als attraktive, kostengünstige und umweltverträgliche Mobilitätsform als Alternative zum PKW schmackhaft zu machen.“

In Frankreich wurde im Februar 2017 eine landesweite Kaufprämie (bis 200 ) für Pedelecs eingeführt. In € Deutschland hat die Landeshauptstadt München eine Kaufprämie für gewerbliche Pedelecs und E-Lastenräder eingeführt und sie 2017 auf privat genutzte E-Lastenräder ausgeweitet. Weitere Städte sowie das Saarland und Baden-Württemberg haben 2017 Kaufprämien für E-Lastenräder für unterschiedliche Zielgruppen beschlossen.

Die Fahrradverbände ADFC, VSF und ZIV sowie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordern anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl eine Kaufprämie für E-Lastenräder auch auf Bundesebene.

Eine Studie des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat 2016 im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Potenziale von Lastenrädern im Wirtschaftsverkehr untersucht und sieht in den „derzeit noch hohen Anschaffungskosten für professionell nutzbare Lastenräder eine Marktzugangsbarriere insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen”.

Die Potentiale von Lastenrädern werden sowohl im Klimaschutzplan 2050 als auch im neuen Aktionsplan Güterverkehr und Logistik der Bundesregierung gewürdigt.

Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) schätzt in seiner jährlichen Marktanalyse, dass im Jahr 2016 der Anteil von E-Lastenrädern unter den 605.000 in Deutschland verkauften Pedelecs bei 2,5 Prozent (15.125 Stück) lag.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.iswaf.de und cargobike.jetzt.