Der Getriebespezialist möchte die Schaltung revolutionieren, nicht nur im E-Bike
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Das Start-up Revolute möchte die Schaltung revolutionieren, nicht nur im E-Bike. Auf der EUROBICO hat das Team aus Kassel eine mechanische Sechsgangschaltung für Fahrräder und Pedelecs vorgestellt, die mit mehreren technologischen Highlights aufwarten soll. Wir haben uns diese vor Ort genauer angesehen und sind mit einem Testbike auf dem Messegelände ein paar Runden gefahren. Hier unsere Eindrücke.

Revolute Schaltung im Detail

Im Revolute-Gehäuse, welches ungefähr die Größe kleinerer Nabenmotoren aufweist, ist ein Planetengetriebe integriert. Dieses verfügt über sechs Stufen und soll sich unter Last schalten lassen. Es ist dabei auch den höheren Kräften beim E-Bike gewachsen und soll so überlegenen Fahrkomfort bereitstellen.

Das Wissen in Sachen Getriebetechnologie wendet das Team aus Kassel auch erfolgreich im Automotive-Bereich an, wo man sowohl für Verbrenner, wie auch Hybride und reine Elektrofahrzeuge einen entsprechend einzigartigen Getriebemechanismus entwickelt hat.

Die Schaltung bei der Fahrrad-Variante erfolgt dabei über mechanische Züge per Drehgriff am Lenker, wobei Revolute sowohl die Griffe wie auch den Drehschalter selbst entwickelt hat. Der Widerstand beim Schalten soll dabei konstant bleiben, wobei sich die einzelnen Gänge knackig und präzise einlegen lassen sollen.

Dank schräg verzahnter Zahnräder, die allesamt aus Metall gefertigt sind, soll zum einen das übertragbare Drehmoment erhöht, zum anderen aber die Geräuschentwicklung und der Verschleiß niedrig gehalten werden. Die gesamte Getriebemechanik hat man in einem schön designtem Gehäuse untergebracht, welches zudem eine hochfeste Speichenaufnahme für einen einfachen Austausch von Speichen mitbringt.

Ebenfalls hat man eine Berghilfe eingebaut, um ein Zurückrollen des Fahrrads bzw. E-Bikes bei abschüssigem Gelände zu verhindern. So soll man stehend auch am Berg die Hände vom Lenker nehmen können, um beispielsweise zu trinken oder aber den weiteren Verlauf der Tour auf dem Navigationsgerät oder Smartphone ansehen zu können.

Durch diese Funktion kann das Modell mit Revolute-Schaltung aber nicht rückwärts geschoben werden, weshalb noch eine Neutral-Stellung als Rangier-Gang implementiert werden musste. Dieser kann dann im Bedarfsfall über den Drehgriff aktiviert werden, indem man diesen über den 1. Gang hinaus auf die Neutralstellung bewegt.

Die Gesamtbandbreite wurde bei 400 Prozent festgelegt, was laut der Revolute-Ingenieure rund um Co-Gründer und Geschäftsführer Daniel Schlereth optimal sein soll. Laut der Macher soll so eine maximale Steigfähigkeit und hohe Endgeschwindigkeiten gleichermaßen möglich sein.

Die Bauteile für die Nabe kommen fast ausschließlich von Zulieferern in Deutschland und auch die Montage soll komplett hierzulande stattfinden. Das Unternehmen aus Kassel ist derzeit mit dem Aufbau einer Produktionslinie beschäftigt, auf welcher die Revolute-Getriebe dann gefertigt werden sollen.

Das Gewicht der Nabe konnte trotz des Einsatzes hochwertiger Werkstoffe auf unter zwei Kilogramm gedrückt werden. Arg viel weiter darunter möchten die Macher allerdings nicht gehen, da man Robustheit und Langlebigkeit nicht auf Kosten einiger Gramm Gewichtsersparnis opfern möchte.

Auf der EUROBICO gingen zahlreiche Hersteller von Cargobikes bereits auf das Unternehmen zu und zeigten großes Interesse an der Entwicklung. Das Produkt soll rechtzeitig für die kommende Saison bereitstehen und ist vorerst nur zur Nachrüstung gedacht. Einen Preis nennt Revolute dafür noch nicht.

Kurze Testfahrt auf der EUROBICO

Wir haben das Revolute-System auf der EUROBICO kurz ausprobiert. Die Schaltung war dabei in einem Cube E-Fully verbaut, welches mit dem Bosch Performance Line CX der 4. Generation ausgerüstet war. Das Anfahren gelang dabei wie von der normalen Kettenschaltung gewohnt, wobei man im 6. Gang auch problemlos über die Unterstützungsgeschwindigkeit hinaus beschleunigen konnte.

Das Schalten der Gänge gelang auch während der Fahrt zielsicher und war je nach Last auch relativ leise. Unter hoher Last “knallten die Gänge aber hörbar rein”. Zudem ist der Winkel, den man für das Schalten eines Ganges benötigt, noch etwas groß. Möchte man mehr als einen Gang schalten, wird daher ein Umgreifen unumgänglich.

Ist ein Gang eingelegt, hört man vom Revolute-Getriebe aber so gut wie nichts. Hier war dann eher noch der Antrieb von Bosch zu hören. Die Teststrecke auf der Frankfurter Messe beinhaltete als “Bergkurs” nur eine Parkhaus-Spirale, in welcher man naturgemäß nicht die Geschwindigkeiten erzielen kann, wie auf einer geraden Strecke. Deshalb können wir das Getriebe unter diesem Aspekt kaum realistisch bewerten.

Revolute-Geschäftsführer Daniel Schlereth teilte uns zum zeitweise lauten Einlegen der Gänge nach der Testfahrt mit, dass man in dieser Sache auch über die Integration einer Schaltunterbrechung nachdenkt. Wie dies im Detail aussehen könnte, steht zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht fest.

Fazit

Die anfällige Mechanik einer Kettenschaltung loszuwerden, ohne dabei auf die Direktheit und die Fähigkeit der Übertragung hoher Drehmomente zu verzichten, waren schon Bestandteil vieler Entwicklungen. Die Revolute-Schaltung stellt hier einen neuen, interessanten Ansatz dar, der aus unserer Sicht aber im Hinblick auf die Geräuschentwicklung beim Schalten noch verbessert werden muss. Hier sind wir aber zuversichtlich, dass das Team aus Kassel diese Aufgabe bis zum Marktstart im Herbst/ Winter 2021 lösen kann. Wir werden dann wieder berichten.

Alle weiteren Informationen stehen unter www.revolute.de zur Verfügung.