Starke, aber kompakte Antriebe dominieren die Messe-News, aber auch Motoren mit integrierter Getriebetechnologie sind nicht mehr aufzuhalten
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Bereits im Vorfeld der Eurobike 2024 zeichnete es sich für uns ab, dass es bei der Messe viel um neue E-Bike-Antriebe gehen wird. Es gab ja schon zuvor erste Informationen, dass globale Player wie ZF mit neuen Produkten im Markt auftrumpfen werden, von anderen hörte man im Vorfeld aber nicht einmal Gerüchte. Zudem erwarteten viele von den Platzhirschen, dass endlich diverse Motoren mit bestimmten (Wunsch-Eigenschaften) auf den Markt kommen würden. Was wirklich in Frankfurt gezeigt wurde, haben wir jetzt für unsere Leser zusammengefasst.

ZF CentriX

Zum CentriX von ZF hat man schon im Vorfeld der Messe schon einiges erfahren. Wir haben auch über das kommende Antriebssystem berichtet. Nichts geht aber darüber, das kleine Kraftpaket in der Realität zu sehen und vor allem auch einmal damit zu fahren. Beides haben wir im Rahmen der Eurobike erledigt.

Der ZF CentriX ist wirklich sehr klein und passt gut hinter das Kettenblatt. Die Klemmhalterung (nicht im Bild) ist ein notwendiges Teil und gehört damit zum Antrieb (auch in Sachen Gewicht).

Bemerkenswert ist auch, dass ZF die Steuerungselektronik für das System nicht im 2,5 Kilogramm wiegenden Antrieb selbst untergebracht hat, sondern am Schienensystem für die Batterien.

Die Batterien sind recht kompakt, allerdings wohl nicht die leichtesten in ihrer Klasse, was aber aus unserer Sicht nicht tragisch ist. Zudem war der ZF Core Controller, das ZF Color Display und die ZF Pure Remote dort ausgestellt.

Jetzt aber zur ersten Probefahrt. ZF hatte auf der Eurobike zahlreiche Testräder am Start, auch von den Partnern Bergstrom und ULTIMA. Gleich nebenan war der Raymon Stand, wo man das neue Tarok E-MTB zur Probefahrt ausleihen konnte.

Das Bergstrom E-MTB war genauso wie das von uns kurz gefahrene E-Hardtail mit dem CentriX 90 ausgerüstet. Produktmanager Patrik Rösch hatte Stufe Sport für die Fahrt auf dem Messegelände so ausgelegt, dass man einen verlängerten Nachlauf des Antriebs ausprobieren konnte, z.B. für das Überwinden von Schlüsselstellen.

Anstatt einem mechanischen Motorgeräusch klingt der ZF CentriX eher elektrisch, bleibt dabei aber hinsichtlich der Lautstärke sehr zurückhaltend und dabei kraftvoll. Die Reaktion auf den Fahrerwunsch erfolgte umgehend, wobei die Kraftabgabe gut dosierbar ist.

Das Display war auch im Sonnenlicht gut ablesbar und von der Menüführung her intuitiv. Die Bedienung über die Remote am Lenker hat gut funktioniert, ebenso über den Core Controller im Oberrohr.

Auf den wenigen Metern im dichten Gedränge auf der Eurobike Teststrecke hat der neue CentriX 90 Antrieb von ZF einen positiven Eindruck hinterlassen. Wir sind schon jetzt gespannt auf einen längeren Test.

Delta Electronics

Der ebenfalls kurz vor der Eurobike angeteaserte Mittelmotor von Delta Electronics bringt einen ähnlichen Formfaktor und Drehmoment mit und basiert auf dem ähnlichen Wirkprinzip wie der CentriX oder der schon länger am Markt befindliche TQ-Antrieb (Harmonic Drive).

Den Getriebeteil ihres Antriebs haben die Taiwaner aber speziell optimiert und auch patentiert, wobei der zur Eurobike 2024 vorgestellte Motor eigentlich bereits die dritte Generation ist. In Asien läuft der Antrieb schon länger.

Delta Electronics bietet auch Displays und Bedienteile an, also das komplette Portfolio. Das Bauteil am E-MTB-Testrad auf der Eurobike war allerdings etwas klobig und auch in Sachen Ergonomie nicht der Bringer.

Der Antrieb selbst weist ein besonderes Geräuschbild auf, vielleicht etwas vergleichbar mit einer (elektrischen) Nähmaschine. Bei unserer Fahrt trat zudem ein kleines Problem auf, welches nicht die gesamte Motorleistung freigab.

Michael Mayer-Rosa, Sr. Director IABG bei Delta Electronics EMEA, war vor Ort und fand eine Erklärung dafür in der neuesten Motorsoftware, die zuvor eingespielt wurde. Wir werden den Antrieb zu einem späteren Zeitpunkt nochmals testen.

DJI Avinox

Der marktführende Hersteller von Drohnen und Anbieter von Videoequipment jeweils im gewerblichen und privaten Bereich bringt sein Know-How jetzt auch in die E-Bike-Welt.

Der zur Eurobike vorgestellte Avinox-Antrieb war wohl der meist gehypte Motor dieser Eurobike, vielleicht auch zu Recht?

Schließlich übertrumpfte er wohl die meisten der Platzhirsche hinsichtlich des Formfaktors und der dabei zur Verfügung gestellten Kraft. Mit 120 Newtonmetern im Boost-Modus braucht man auf dem Trail nicht viel Konkurrenz fürchten.

Um den Antrieb bestmöglich integriert zu zeigen, hat DJI gleich eine eigene Fahrradmarke gegründet. Die Modelle von AMFLOW Bikes werden immer zuerst die neueste Technologie der Chinesen bekommen, bevor diese dann anderen Herstellern zur Verfügung gestellt wird.

Was DJI bekanntermaßen noch sehr gut kann, ist Display und Software. Hier sind sie den meisten anderen Antriebsherstellen haushoch überlegen und das sieht man gleich bei der ersten Vorstellung des Antriebssystems.

Bei der ersten Fahrt, leider im Frankfurter Regen, hat man doch schon gemerkt, dass die Teams von DJI und AMFLOW auf jeden Fall ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Der Antrieb reagierte dank 40-fach höherer Abtastung über die Lochscheibe am Hinterrad sehr harmonisch und direkt. Mit der Kraftentfaltung verhielt sich auf der kurzen Testfahrt ähnlich und war wirklich beeindruckend.

Der Abruf der zur Verfügung stehenden Kraft konnte trotz des Leistungsüberschusses von bis zu 1.000 Watt dosiert abgerufen werden und hat uns überrascht. Natürlich steht ein regulärer Test noch unbedingt aus, der erste Eindruck jedenfalls war phänomenal.

MGM75 von Star Union Wuxing

Eine weitere, sehr interessante Neuheit stellt der MGM75 von Star Union Wuxing dar. Der Anbieter hatte schon vorher diverse Antriebe für E-Bikes im Programm, aber die auf der Eurobike 2024 gezeigte Antrieb basiert auf einer völlig anderen Technologie.

Wo die Konkurrenz noch mit mechanischem Eingriff per Zahnräder arbeitet, soll die Übertragung der Kräfte hier über ein entsprechend starkes Magnetfeld erfolgen. 75 Nm soll für 120 Sekunden, 60 Nm für acht Minuten möglich sein.

Durch diese bisher einzigartige Technik konnte man einen großen Teil der Reibung aus dem System verbannen, abgesehen von der Lagerung der Wellen, und so einen Wirkungsgrad von um die 90 % erreichen. Das Gewicht: nur 2,3 kg!

Bild: Star Union Wuxing

Weitere Eckdaten stellen 580 Watt Spitzenleistung bei 250 Watt gesetzlicher Dauerleistung dar, wobei ein leiser Lauf gewährleistet sein soll. Auch nahezu wartungsfrei soll der neue Antrieb sein, gar unkaputtbar, wie die Macher versprechen.

So weit die Theorie. Leider wurden nur Muster des MGM75-Antriebs und peripherer Bauteile wie Displays und Bedienelemente gezeigt, die ebenfalls brauchbar erscheinen. Etwas Fahrbares war leider nicht auf der Messe verfügbar.

Allein vom Formfaktor betrachtet – ungefähr in der Größenordnung von Delta oder ZF CentriX – war das System bereits sehr interessant. Es kommt definitiv auf unsere Liste für einen baldigen Test!

Villiger Dynamic

Ein weiterer interessanter Antrieb ist der Villiger Dynamic aus Öberrüti im Schweizer Aargau mit integriertem Planetengetriebe. Er beinhaltet zwei Elektromotoren, wobei eine für den Vortrieb selbst, der andere für das Einstellen der Übersetzung zuständig ist.

Die verfügbare Bandbreite wird mit über 1000 % angeben, das Drehmoment mit 100 Nm. Andere Systeme ähnlicher Bauweise warteten mit zwar mit höherem Drehmoment auf, aber die sind auch nie in Serie gegangen. Warten wir mal ab, wie es bei den Schweizern läuft.

Gobao / Hepha

Bei Gobao konnte man das Motorenangebot bestaunen, kürzlich um einen leichten, mit 80 Nm aber trotzdem sehr kräftigen Antrieb erweitert. Die Antriebe kommen in einem leicht abgeänderten Design auch bei der Eigenmarke Hepha zum Einsatz.

Vom bekannten Antrieb P100, der bei den E-Mountainbikes von Hepha als P101C mit einer optimierten Software zum Einsatz kommt, haben wir uns schon Anfang Mai in Riva begeistern lassen.

Der neue S80-Motor ist im Konzept für ein E-Urbanbike der Marke verbaut. Eine Probefahrt war bisher noch nicht möglich, wird aber von uns angestrebt.

Gobao liefert auch die anderen Komponenten wie Batterien, Bedienteile und Displays und kann da wohl jeglichen sinnvollen Kundenwunsch erfüllen. Als Show-Effekt demonstrierte man noch die Wasserdichtigkeit der Motoren auf der Eurobike.

Preeto

Auch der Preeto-Antrieb hinter dem der chinesische Großkonzern ZHAOWEI steckt, wurde kurz vor der Eurobike angeteasert. Mit 60 Nm rangiert er im Light-Assist-Segment und überzeugt dort durch sein geringes Gewicht von 1,9 kg.

Im Rahmen der Fachmesse wurde dann bekannt, dass man auch weitere Ausbaustufen anbieten möchte. Der P90 mit 90 Nm baut dabei nur unwesentlich größer, der fürs E-Cargo gedachte P110 bringt das größte Gehäuse, aber auch 110 Nm mit.

Leider war es uns aus Zeitgründen nicht möglich, eine Probefahrt zu unternehmen. Das werden wir aber schnellstmöglich nachholen.

BHZ by SEG

Die SEG Automotive aus Stuttgart steigt massiv in den Markt für E-Bike-Antriebe ein. Das wurde bereits im vergangenen Jahr bekannt. Der BHZ by SEG ist da nur ein Beispiel, den man mit der Marke BH Bikes kürzlich umgesetzt hat.

Die SEG betont, dass ihr Alleinstellungsmerkmal unter anderem die freie Gehäusegestaltung darstellt, die eine optimale Anpassung an das gewünschte Design des Kundenprodukts erlaubt und zeigte auf der Eurobike hier einige Beispiele.

Natürlich steht ein ähnlich hoher Individualisierungsgrad auch in Sachen Motorcharakteristik und -software zur Verfügung. Auch zugehörige Komponenten wie Batterien, Displays und Bedienelemente liefert SEG Automotive auf Wunsch zu.

Wir sind schon gespannt auf die erste Fahrt mit einem von SEG Automotive ausgerüsteten E-Bike, zum Beispiel von BH Bikes(!) und werden dann hier über unsere Erkenntnisse berichten.

OLI eBike Systems

Den PICO von OLI eBike Systems bezeichnet der italienische Hersteller als die einzige europäische Alternative für Light eCity, wobei der Antrieb mit 70 Nm und dem geringen Gewicht von weniger als 2,5 kg doch perfekt für E-Urbanbikes bzw. E-Fitnessbikes geeignet ist. Mehr in einem extra Beitrag.

Storck e:Raddar

Der Einstein-Motor von Storck Bikes, welcher in den e:Raddar Modellen des Idsteiner Unternehmens zum Einsatz kommt, wird von vielen unterschätzt.

Einstein 80; Bild: Storck

Dabei hat er in Sachen Einbaugröße, Kraftentfaltung und auch Geräuschentwicklung zahlreiche Vorteile gegenüber manchen Platzhirsch. Wir konnten den Antrieb auf der Eurobike kurz testfahren und fanden die Eigenschaften dort bestätigt. Ein ausgiebiger Test steht allerdings noch an.

Mivice

Mivice hat einen kompakteren Antrieb für E-Urbanbikes oder E-Gravelbikes vorgestellt. Der X365 Mittelmotor wiegt 2,1 kg und stellt dem Nutzer ein Drehmoment von 65 Nm zur Verfügung. Mehr dazu in einem extra Beitrag.

Hyena

Das taiwanische Unternehmen Hyena zeigte auf der Eurobike seinen neuen Mittelmotor UniDrive 70, der recht kompakt baut, mit 2,4 kg nicht zu schwer ist und dem Nutzer ein Drehmoment von 70 Nm zur Verfügung stellen soll.

Hier soll auch besonders die Software in den Vordergrund treten und dem Nutzer je nach E-Bike-Modell ein sportliches und auf den Anwendungsfall angepasstes Fahrgefühl geben.

Pendix gDrive

Der gDrive von Pendix wurde bereits auf der Eurobike im vergangenen Jahr gezeigt, damals aber noch als Konzept. Der Mittelmotor wurde besonders nachhaltig durch eine hohe Reparabilität und „grüne“ Produktionsstätten.

Anstatt auf den Direktläufer-Mittelmotor, für den Pendix bekannt ist, setzt man bei dem neuen Aggregat auf ein kompakteres Gehäuse mit integrierter Getriebeuntersetzung.

Der Antrieb kommt damit auf 85 Nm und 320 % Unterstützungsleistung, weshalb sich der Motor eher für den urbanen Bereich oder das Trekking-Segment anbietet.

Hinter Pendix steht seit einer Weile der Elektronikkonzern Johnson Electric, so dass man hier auf jeden Fall noch ein wachsendes Portfolio erwarten kann.

Und dann war da noch…

Die Pinion MGU kann jetzt auch automatisch schalten. Die Änderung haben wir in einem weiteren Beitrag beleuchtet. Zudem kommt das Aggregat auch bei weiteren Marken, wie zum Beispiel Riese & Müller, zum Einsatz.

Moustache setzt erstmals auf diesen Antrieb und hat sein getarntes E-MTB gezeigt, welches noch unter dem Namen Project 46 läuft. Früher im Jahr hatte Nicolai mit dem Saturn 16 MGU ein entsprechendes Modell vorgestellt, das wir schon in Riva ausprobieren konnten.

Giant war mal wieder auf der Eurobike vertreten. Am Stand haben wir dabei das Defy E+ entdeckt, mit einem wohl hauseigenen Heckantrieb. Jedenfalls stand Syncdrive drauf. Mehr dazu war aber noch nicht zu erfahren.

Neue Motorenhardware von Bosch eBike Systems wurde von vielen vermisst, dann aber an diversen Modellen auf der Messe entdeckt, allerdings abgeklebt.

Wer bei der Vorstellung des SX im vergangenen Jahr dabei war, kann sich denken und es wurde auch so gesagt, dass der Formfaktor samt innerem Aufbau des SX der neue Maßstab der Antriebe von Bosch eBike Systems werden soll. Warten wir einmal ab, was kommt.

Fazit

Viele neue Motoren wurden auf der Eurobike 2024 in Frankfurt gezeigt, allerdings gab es in diesem Segment auch nur wenig wirklich Neues, d.h. noch nie Dagewesenens. Wenn man mit den Herstellern spricht, ist dies auch schlecht möglich, da es das meiste in irgendeiner Form schon gibt. Da kann es einen als Beobachter und auch Nutzer nur freuen, wenn doch einmal etwas vorgestellt wird, welches aus dem Einerlei heraussticht. Wir sind gespannt, welches System sich dann am Markt etablieren kann, denn das ist die eigentliche Kernaufgabe.

Bilder: s. Kennz.