Finanzielle Restrukturierung, industrieller Schulterschluss und Ausbau von Service und Handel markieren einen Neustart für den E-Bike-Hersteller aus Brüssel.
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Der belgische E-Bike-Hersteller Cowboy stellt sich strategisch neu auf: Mit dem Einstieg der französischen ReBirth Group Holding SA als Mehrheitsgesellschafter schließt das Unternehmen eine umfassende finanzielle und operative Neuordnung ab. Insgesamt fließen 15 Millionen Euro an neuem und reinvestiertem Kapital, begleitet von der Umwandlung bestehender Verbindlichkeiten in Eigenkapital und einer Restrukturierung mit dem Hauptfinanzierer. Ziel ist es, Produktion und Lieferfähigkeit zu stabilisieren und Cowboy langfristig tragfähig aufzustellen.

ReBirth ist in der Fahrrad- und Mobilitätsbranche kein unbeschriebenes Blatt. Zur Gruppe gehören traditionsreiche Marken wie Peugeot, Gitane und Solex. Mit dem Einstieg bei Cowboy bringt ReBirth vor allem industrielle Kompetenz, Erfahrung im Hochlauf von Produktionen sowie ein etabliertes Vertriebs- und Servicenetz ein. Cowboy wiederum steuert seine softwarebasierte Plattform, vernetzte Fahrzeugtechnik und ein stark digital geprägtes Produktverständnis bei. Beide Seiten betonen, dass Cowboy seine eigenständige Markenidentität behält.

Produktion, Ersatzteile und Service im Fokus

Kern des Neustarts ist die Wiederaufnahme der Fertigung. Bereits zu Jahresbeginn soll die Montage im französischen Werk anlaufen, mit einer Planung von über 1.500 Fahrrädern allein im Januar. Vorrangig geht es darum, bestehende Auftragsrückstände sowie die Versorgung mit Ersatzteilen aufzulösen.

Kundinnen und Kunden mit offenen Bestellungen sollen zeitnah aktualisierte Liefertermine erhalten. Parallel wird die Produktionsplanung für 2026 aufgebaut, mit dem Anspruch auf höhere Planbarkeit, bessere Komponentenverfügbarkeit und größere Kapazitäten.

Für bestehende Fahrerinnen und Fahrer bleibt der Betrieb unverändert: Software, Services und Support laufen weiter, ebenso das laufende Rückrufprogramm, das in mehreren europäischen Städten bereits umgesetzt wird. Eine detaillierte Zwischenbilanz dazu ist für das neue Jahr angekündigt.

Stärkere Präsenz im stationären Handel

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau der physischen Präsenz, insbesondere in Frankreich. Über das ReBirth-Netzwerk mit eigenen Fachhandelsketten und mehreren hundert unabhängigen Händlern soll der Zugang zu Service und Beratung verbessert werden. Frankreich, bislang einer der wichtigsten, aber noch nicht stärksten Märkte für Cowboy, könnte damit künftig deutlich an Bedeutung gewinnen.

Und was ist mit den bisherigen Investoren?

In der aktuellen Ankündigung bleibt unerwähnt, dass bestehende Anteilseigner – darunter auch die Crowdfunder, über die wir bereits berichtet haben – im Zuge der Restrukturierung massiv verwässert werden. Ihre Anteile werden in stimmrechtslose Aktien mit minimalem Nennwert umgewandelt, der Gesamtanteil aller bisherigen Investoren schrumpft auf 4,99 Prozent. Faktisch steht damit für viele eine nahezu vollständige Abschreibung im Raum, trotz früherer Bewertungen und Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe.

Führungswechsel und neue Rollenverteilung

Mit dem Abschluss der Transaktion zieht sich Mitgründer Adrien Roose aus dem operativen Geschäft zurück. Die künftige Führung arbeitet eng mit dem Management der ReBirth Group zusammen. Cowboy bleibt organisatorisch in Brüssel verankert, mit eigenen Teams für Design, Entwicklung und Software.

Adrien Roose

Adrien Roose

Brief von Cowboy Co-Gründer Adrien Roose an die Community (original)

Liebe Cowboy-Community,

ich schreibe euch heute, um euch mitzuteilen, dass Cowboy eine Vereinbarung getroffen hat, Teil der ReBirth Group Holding SA zu werden, und um zu erklären, was das für unser Unternehmen bedeutet.

Wir haben Cowboy gegründet, um den Wandel hin zum Radfahren in unseren Städten zu beschleunigen, mit besseren E-Bikes. Wir glaubten daran, dass Radfahren mit dem richtigen Design, der passenden Technologie und einem stimmigen Erlebnis wieder zur natürlichsten, schönsten und effizientesten Art werden kann, sich durch unsere Straßen zu bewegen.

Gemeinsam haben wir eine der führenden E-Bike-Marken Europas aufgebaut und mehr Menschen überzeugt, das Rad statt dem Auto zu wählen. Von den ersten Prototypen in Brüssel bis zu Fahrern in Paris, Berlin, London und weit darüber hinaus ist Cowboy von einer Idee zu einer Community geworden, die sich für eine bessere Art entschieden hat, sich fortzubewegen.

Für viele von euch wurde Cowboy mehr als nur ein Produkt. Es hat verändert, wie ihr euch bewegt, und wie sich eure Stadt anfühlt.

Das letzte Jahr war herausfordernd. Viele von euch mussten lange auf neue Bikes und Ersatzteile warten. Ich weiß, dass das euer Vertrauen erschüttert hat und wir euren Erwartungen nicht gerecht wurden. Unser Team hat hart daran gearbeitet, das zu verbessern. Und genau dafür ist diese neue Partnerschaft da. Sie soll Cowboy das industrielle Rückgrat geben, welches wir brauchen, um verlässlicher zu werden.

Diese Partnerschaft vereint Cowboys Expertise in Sachen Konnektivität, Design und digitaler Erfahrung mit ReBirths industriellen Fähigkeiten, europäischer Fertigung und Vertriebsnetzwerk. Gemeinsam ist es das Ziel, Cowboy die nötige Skalierung, Stabilität und operative Unterstützung zu geben, um unsere Produktion zu stärken und langfristig nachhaltiger zu werden.

Für euch als Fahrer heißt das: verlässlichere Lieferungen, eine bessere Verfügbarkeit von Ersatzteilen und ein stärkeres Service- und Supportnetzwerk auf lange Sicht.

Im Zuge dieses Übergangs werde ich als CEO zurücktreten und mich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Nach neun intensiven und bedeutungsvollen Jahren ist es Zeit für ein neues Kapitel, für mich und für das Unternehmen. Cowboy bleibt in den Händen eines starken Teams, welches das Unternehmen gemeinsam mit ReBirth weiter voranbringen wird.

Cowboy entstand aus einer klaren Mission: Städte lebenswerter zu machen, indem wir mehr Menschen inspirieren, sich mit dem Rad zu bewegen.

An unsere Rider, Investor:innen, Partner:innen, Lieferant:innen und vor allem an unser Team: Danke, dass ihr an Cowboy geglaubt habt, uns herausgefordert habt und in guten wie in schwierigen Zeiten an unserer Seite geblieben seid. Ihr seid der Grund, warum Cowboy heute das ist, was es ist.

Ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam aufgebaut haben, und gehe mit dem Vertrauen, dass Cowboy heute besser aufgestellt ist, um dieser Mission gerecht zu werden.

Mit Stolz und Dankbarkeit,

Adrien Roose

Co-founder, Cowboy

ReBirth-CEO Grégory Trébaol ordnet den Schritt als langfristige Ergänzung des eigenen Markenportfolios ein und sieht Cowboy als technologischen Baustein für vernetzte urbane Mobilität innerhalb der Gruppe.

Mit dem Schulterschluss von Technologie-Start-up und Industriegruppe beginnt für Cowboy eine neue Phase. Ob der Neustart gelingt, wird sich daran messen lassen, wie schnell Lieferketten, Servicequalität und Vertrauen der Kundschaft nachhaltig zurückkehren.

Mit Informationen von The Verge / Cowboy.

Bilder: Cowboy