Pop-up-Radwege, Fahrradschnellstraßen, Kiezprojekte für Lastenräder. In Deutschland ist zu spüren, dass die Verkehrswende in vollem Gange ist. Vor allem Fahrräder in allen Variationen sind der große Renner. Das merken auch immer mehr Unternehmen und bieten ihren Mitarbeitern Dienstrad-Leasing an. Zu den Pionieren und Big Playern dieses Modells gehört in Deutschland mein-dienstrad.de. Dort hat Marcel Nothnagel Anfang des Jahres die alleinige Geschäftsführung übernommen. In unserem Interview verrät er, wie er beim Fahrrad-Leasing gelandet ist, wie sich das Business gewandelt hat und welche Pläne er für die nächsten Jahre hat.
Herr Nothnagel, wie sind Sie heute zur Arbeit gekommen?
Heute? Da bin ich einfach nur in mein Arbeitszimmer gelaufen–umweltfreundlicher als die Arbeit im Homeoffice geht es einfach nicht (lacht). Aber im Ernst: Mein Job begünstigt es zwar noch zusätzlich, aber ich war schon immer am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs. Egal ob für den Weg zur Arbeit oder in der Freizeit. Mit meinem Hund Fritz bin ich gerne bei uns im Wald unterwegs und wir liefern uns Wettrennen. Manchmal lässt sich das Auto aber natürlich nicht vermeiden, und ein kompletter Verzicht ist ja auch nicht notwendig. Ich selbst bin ein großer Fan von Oldtimern und schraube gerne daran herum. Außerdem habe ich das Segeln für mich entdeckt–hier benötigt man nur Muskelkraft, Wind und etwas Köpfchen –das finde ich faszinierend.
Und durch Ihre Fahrradbegeisterung hat der Kurs Sie auch direkt zu mein-dienstrad.de geführt?
Nicht wirklich, da hat es ein paar Umwege gegeben. Ich hatte vorher schon im Leasing-Bereich gearbeitet, u. a. bei VW. Ich habe LKWs verleast, PKWs – einfach alles Mögliche. 2011 habe ich Ronald Bankowsky kennengelernt, den Gründer von mein-dienstrad.de. Als er mir das erste Mal von seiner Idee erzählt hat, Leasing für Fahrräder anzubieten, fand ich es ehrlich gesagt skurril, aber interessant. Wir sind dann in Kontakt geblieben, weil wir uns privat gut verstanden haben. Und ein paar Jahre später hat er mich gefragt, ob ich nicht in das Unternehmen einsteigen möchte. Das war 2018 und ich habe mich dann vor allem um das Marketing und den Vertrieb gekümmert – als Co-Geschäftsführer.
Und jetzt, vier Jahre später, sind Sie selbst der Steuermann. Haben Sie Ihre Entscheidung je bereut?
Nein, nie. Ich wollte nicht mehr bei einem Konzern arbeiten, sondern lieber im Mittelstand. Im Bereich der Finanzdienstleistungen wollte ich aber bleiben, und nachhaltig sollte es sein –vielleicht als eine Art Läuterung für mein vorheriges Auto-Leben (lacht). Der Wechsel zu mein-dienstrad.de war da jedenfalls genau das Richtige. Bei meinem Einstieg waren wir noch in den wilden Startup-Jahren, mit einem überschaubaren Team aus acht Kollegen. Mit Ronald Bankowsky konnte ich immer offen, aber auch hart diskutieren – am Ende sind wir jedenfalls stets zu konstruktiven Lösungen gekommen. Er war dabei eher der Visionär und ich der Macher. Und mit dieser Mischung sind wir weit gekommen. Unseren Umsatz konnten wir jedes Jahr verdoppeln und inzwischen haben wir knapp 60 Mitarbeiter.
Gibt es ein Geheimrezept?
Nun ja, wir haben jedenfalls unseren Fokus genau definiert. Zu Beginn waren die Unterschiede zwischen den Mitbewerbern auf dem Markt nicht sehr groß, heute schon. In den ersten Jahren mussten wir zunächst viel Überzeugungsarbeit in den Unternehmen leisten. Oft wurden wir gefragt, was die Mitarbeiter denn mit einem Fahrrad sollen, wenn sie schon ein Auto haben. Heute ist die Akzeptanz viel größer, und wir konnten gefestigte Abläufe und Strukturen etablieren. Wir haben das Augenmerk vor allem auf gute Produktinhalte gelegt. Unsere Dienstleistung kann sowohl der Konzernkunde als auch der Solo-Selbständige nutzen. Zudem bieten wir ein hohes Maß an Service. Das gilt von der ersten Beratung über die einzelnen Leasing-Verträge bis zur Unterstützung im Schadensfall.
Wie hat die Corona-Pandemie den Markt aus Ihrer Sicht beeinflusst?
Corona hat ja nicht nur die Fahrradbranche, sondern die ganze Welt ziemlich durchgewirbelt. Oft war und ist zu lesen, dass das Radfahren nochmal einen weiteren Schub bekommen hat. Für uns war es ein zweischneidiges Schwert. Besonders zu Beginn der Pandemie erreichten uns auch Absagen von neuen Großkunden. Verständlich, da die finanzielle Planung und die gesamte Situation ja überall unsicher waren. Auf der anderen Seite bekamen wir von bestehenden Partnern aber deutlich mehr Aufträge. Es war zu spüren, dass mehr Menschen auf das Fahrrad umstiegen und dem ÖPNV lieber ausweichen wollten. Und wir konnten beobachten, dass die Nachfrage nach hochwertigen Rädern und E-Bikes stark gestiegen ist. Trotz der anhaltenden Lieferproblematik, etwa für E-Bike-Komponenten, konnten wir den meisten Interessenten durch unser Leasing-Konzept und unser Händlernetzwerk schnell zum Wunschrad verhelfen.
Was waren Ihre schönsten Momente bei mein-dienstrad.de?
Da gab es so viele, das würde wohl den Rahmen des Interviews sprengen. Ich erinnere mich gerne an die Messebesuche zurück, wenn wir mit unseren Partnern plaudern und lachen konnten. Das kommt ja inzwischen glücklicherweise wieder öfter vor. Tolle Meilensteine waren aber auch die ersten Kooperationen mit Großkunden wie Henkel–quasi als Belohnung für die harte Arbeit. Im Grunde ist aber jeder Tag ein Highlight. Wir haben ein tolles, eingespieltes Team, bei dem sich trotz wachsender Größe alle aufeinander verlassen können.
Stichwort Wachstum: Was sind denn Ihre Pläne für die nächste Dekade?
Über so einen langen Zeitraum zu planen, ist natürlich schwierig. Gerade die letzten Jahre haben ja gezeigt, wie schnell sich die Lage ändern kann. Wir sind mit unserem Weg und dem aktuellen Stand jedenfalls sehr zufrieden. Vor kurzem haben wir die Zertifizierung für die ISO-Norm 27001 erhalten, um unseren Partnern noch mehr Datensicherheit bieten zu können. Außerdem beteiligen wir uns weiter am Forschungsprojekt BITS, bei dem wir mit der Universität Oldenburg und anderen Partnern zusammenarbeiten, um die Mobilität der Zukunft zu erforschen. Aber natürlich möchten wir auch in Zukunft wachsen und unseren Kunden den bestmöglichen Service bieten. Deshalb sind auch andere europäische Länder für uns interessant. Fahrradbegeisterte gibt es ja nicht nur in Deutschland. Es ist einfach klasse, ein Teil der Verkehrswende zu sein und einen Beitrag für die zukünftigen Generationen zu leisten. Dies weiter voranzubringen, ist mein Ziel für die nächsten Jahre.
Viele weitere Informationen unter: www.mein-dienstrad.de.