Aktuelle Medienberichte verbreiten Angst und Schrecken – zu Unrecht wie der ZIV und andere Experten darlegen
8 min Lesezeit

Wirft man derzeit zum Thema Pedelec einen Blick in die aktuelle Berichterstattung der Medien, so schlagen einem zahlreiche Artikel zu Unfällen, Verkehrstoten und der angeblichen Gefahr durch Pedelecs und E-Bikes ins Gesicht.

Jedes Jahr dasselbe, könnte man meinen. Meist zu Jahresbeginn, spätestens aber kurz vor Saisonstart nehmen Berichte zu, bei denen unbedarften Lesern Angst und Bange in Sachen Pedelec werden soll.

Dieses Mal werden Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die kürzlich veröffentlicht wurden, zum Anlass genommen, um vor E-Bikes und Pedelecs als gefährlichem Verkehrsmittel zu warnen. Leider aber oft, ohne die Zahlen richtig zu interpretieren. Denn ohne die richtige Relation verlieren die reinen Zahlen oft an Aussagekraft. Lässt man den Blickwinkel außer Betracht, so kann man leicht ein verzerrtes Bild erzeugen, welches die Wahrheit nicht richtig darstellt.

Meldungen zu Pedelec-Unfällen (Google)

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Überblick

Nimmt man sich die nackten Zahlen des Statistischen Bundesamtes vor, so zeigt sich für den unbedarften Leser folgendes Bild: die Zahl der Leichtverletzten und die Menge der Schwerverletzten sind jeweils stark angestiegen, wobei sich die Anzahl der getöteten Pedelec-Fahrer in den ersten drei Quartalen von 2016 gegenüber dem Vorjahr sogar verdoppelt hat.

Statistiker deuten bei diesen Zahlen einen Anstieg von 39 Prozent bei den Pedelec-Unfällen, während die Rate bei Betrachtung der Zahlen der normalen Fahrräder bei nur sechs Prozent liegt. Ergo sind Pedelecs also gefährlich! Echt jetzt?

So betrachtet wirft das natürlich ein trübes Bild auf die Fahrzeuggattung und ist gleichzeitig Wasser auf die Mühlen derer, die Pedelecs und E-Bikes von vornherein verteufelt haben und deren stetige Verbreitung mit flauem Gefühl im Magen beobachtet haben.

Zahlen sind relativ und Statistiken manipulierbar

Zahlen lügen nicht. Wenn man in eine Statistik aber nur die Zahlen einfließen lässt, welche den Sachverhalt so darstellen, wie man es gern haben möchte, dann stimmt diese Feststellung nicht mehr.

Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten!Alte Presseweisheit

Betrachtet man in gleichem Maße die Entwicklung des Bestandes an Pedelecs und E-Bikes in Deutschland, so relativieren sich diese hohen Zahlen. Denn die Anzahl an Pedelecs in Deutschland dürfte sich ersten Schätzungen zufolge inzwischen bei über drei Millionen Fahrzeugen bewegen.

In der letzten Zeit kamen jedes Jahr immer mehr Pedelecs zum Bestand der Deutschen hinzu, so dass dieser Anstieg leicht zu solch einer angeblich “erschreckenden Entwicklung” führen kann. Der Anteil an Elektrorädern ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen, so dass in diesem Jahr (schätzungsweise) rund 560.000 neue Pedelecs zum bekannten Bestand hinzu gekommen sind.

Bei klassischen Fahrrädern stieg der Bestand dagegen nicht dementsprechend an, bewegt sich im Gegensatz dazu geradezu rückläufig, wobei sich der Gesamtzuwachs an Zweirädern meist durch die Pedelecs und E-Bikes trotzdem positiv entwickelte.

Und: Auch bei den Unfällen mit normalen Fahrrädern ist ein Anstieg zu beobachten. 😦

Mehr Fahrzeuge = mehr Unfälle!

Das könnte die einfachste Formel sein, allerdings spielen noch weitere Faktoren in diese Entwicklung hinein, welche diese einfache Gleichung wieder relativieren:

  1. Pedelec-Fahrer fahren häufiger und oft auch weiter als normale Fahrradfahrer, was allein schon deshalb die Chance der Beteiligung an einem Unfall stark erhöht
  2. Obwohl Pedelec- und E-Bike-Nutzer tendenziell jünger werden, so ist die Hauptnutzergruppe immer noch deutlich älter als 55 Jahre. Hier kommen allgemeine körperliche Schwächen dieser Altersgruppe zum Tragen, die sich aber genauso auf dem Fahrrad oder bei der Benutzung von Personenwagen zeigen
  3. Die durchschnittliche Geschwindigkeit eines Pedelecs liegt laut ZIV nur rund 2 km/h über der des Fahrrades. Hieran kann grundsätzlich keine ursächliche Häufung von Unfällen festgemacht werden
  4. Pedelecs werden oft, meist aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu normalen Fahrrädern, von anderen Verkehrsteilnehmern hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Umso häufiger wird den Fahrern so die Vorfahrt genommen oder diese auf andere Art in Bedrängnis und Unfallgefahr gebracht
  5. Die Statistik verrät nicht, wer oder was der Verursacher des Unfalls war. Hatte das Pedelec oder der E-Bike-Fahrer überhaupt Schuld daran, dass das Unglück passiert ist?

Hier noch einige Zahlen, Daten und Fakten zum Pedelec, die sich zum Ende des Jahres 2016 zu manifestieren scheinen.

Was steckt dahinter?

Warum erfolgt immer wieder solch eine (negative) Berichterstattung rund um das Pedelec? Warum werden Zahlen so verdreht, dass diese beim bloßen Überfliegen einer Nachrichtenmeldung ein schlechten Eindruck vermitteln?

Hier teilt sich das Pedelec die Auswirkung von Lobbyarbeit mit diversen anderen zukunftsweisenden Produkten, die von etablierten Herstellern, Versicherungen oder Industrien mittels einseitiger Berichte oder Pressemeldungen in das gewünschte (schlechte) Licht gerückt werden sollen.

Der Antrieb dafür scheint der Erhalt des Status Quo zu sein. Denn alles Neue ist per se erst einmal schlecht, mit Vorsicht zu genießen und abwartend zu betrachten. Ein typisch deutsches Verhalten, wie es scheint! 🙁

Ebenso laden Statistiken dazu ein, vorschnell ein Urteil nur aufgrund der ermittelten Zahlen zu fällen und sogenannten Stammtisch-Weisheiten vorschnell zu glauben. Anstatt die Zahlen nüchtern zu betrachten und den gesunden Menschenverstand zur Deutung zu bemühen, lässt man es oft zu, dass die Statistische Wahrheit als Nonplusultra angesehen wird.

Pedelecs & E-Bikes – ein Erfolgskonzept

Dabei stellen Pedelecs in der Realität die Erfolgsgeschichte in der Elektromobilität in Deutschland dar. Denn nur den elektrisch unterstützten Zweirädern ist es bis jetzt gelungen, eine Marktdurchdringung zu erreichen, von welcher die Elektroauto-Industrie bis jetzt nur träumen kann.

E-Bikes und Pedelecs haben schon jetzt die Zahlen bei weitem übertroffen, welche die Bundesregierung für das Jahr 2020 angesetzt hatte, nämlich eine Million Fahrzeuge mit Elektroantrieb auf die deutschen Straßen zu bringen. Drei Millionen Pedelecs und E-Bikes sind Ende 2016 in Deutschland unterwegs – ein Ende ist bis jetzt nicht in Sicht!

Experten-Meinungen zu Pedelecs und Unfällen

Der Zweirad-Industrie-Verband pflichtet den aktuellen Meldungen über die Unfallgefahr von Pedelecs nicht bei und warnt ebenfalls davor, die Zahlen falsch zu deuten. Laut der Erkenntnis des Verbandes besteht für Fahrer von Elektrorädern nicht grundsätzlich ein höheres Unfallrisiko gegenüber Fahrern von normalen Fahrrädern.

Der Anstieg sei mit dem stetig wachsenden Bestand an Pedelecs zu erklären, welcher dann noch zu einer intensiveren und häufigeren Nutzung führt. Auch wären die meisten Pedelec-Fahrer keine “Raser”, sondern nutzten den Motor um schneller und kräfteschonender auf die Durchschnittsgeschwindigkeit eines normalen Fahrrades zu kommen.

Der Entwicklung hinsichtlich der Unfallproblematik solle man mit einer verbesserten Radinfrastruktur entgegenwirken, wie der ZIV in seiner Meldung vom 11. Januar 2017 feststellt. Zudem sollte man mittels Beratung und Testfahrten die neuen Käufer von E-Bikes besser auf das neue Fahrvergnügen vorbereiten. Ebenso empfiehlt der Verband grundsätzlich das Tragen eines Helmes auf dem Zweirad.

In einem früheren Bericht hat sich auch Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zu dem jetzt wieder aufkochenden Thema geäußert. So würde die Käufer von Pedelecs im Alltag kaum mehr gefährliche Situationen erleben, als die Fahrer von normalen Fahrrädern.

So stellt UDV-Leiter Brockmann im Weiteren fest:

Nicht das Pedelec ist das Problem, sondern die derzeit überwiegende Nutzergruppe. Viele Senioren freuen sich über neu gewonnene Mobilität, haben dann aber Schwierigkeiten mit dem Handling des Pedelecs. Hier sind die Händler in einer besonderen Verantwortung, bei der Auswahl des optimalen Geräts sachkundig zu beraten und die Pedelec-Fahrer ausführlich einzuweisen.Siegfried Brockmann

Weiter empfiehlt er der angesprochenen Nutzergruppe den Besuch von Trainingsveranstaltungen z.B. bei Verkehrswachten und rät ebenfalls dazu, immer einen Helm zu tragen.

Unser Fazit

Lassen Sie sich nicht verunsichern! Das Pedelec ist eines der modernen Verkehrsmittel, die unsere Mobilität am weitreichendsten verändern werden bzw. dies schon tun und kann dabei vielfältigste Probleme lösen.

Sei es der drohende Verkehrsinfarkt in den Städten, der viele davon schon heute trifft oder die viel beschworene Energiewende, bei welcher auf fossile Energiequellen im besten Fall komplett verzichtet werden soll. Oder auch die Feinstaubproblematik, die ebenfalls immer mehr Ballungsgebiete und Großstädte trifft, kann mittels einem Wechsel auf das Pedelec als modernen Verkehrsmittel abgeschwächt oder gar ganz beseitigt werden.

Nicht zu vergessen ist und bleibt die positive Wirkung auf die Volksgesundheit, die einem immer bequemer werdenden Lebensstil entgegenwirken und so für eine Verringerung der künftigen Gesundheitskosten sorgen kann.

Unser Rat lautet daher:

Fahren Sie mit Helm, aber fahren Sie Pedelec!

Sie werden in jedem Fall davon profitieren. 🙂