Aus der geplanten Weltreise wurde nicht zuletzt aufgrund der Pandemie ein beeindruckender Solotrip aus Spaniens Süden zurück nach Deutschland
11 min Lesezeit

Eigentlich sollte “E-Traction – The Trip” das Duo Susanne Brüsch und Silvio Züllig über sechs Kontinente der Erde führen. Nach einem ersten Austesten des Equipments aus dem neuen Truck “Elefantino” und der HNF-NICOLAI XF3 S-Pedelecs in Marokko mitsamt deren Wüstengebiete, sollte der Trip dann schon bald losgehen. Doch dann machte die Corona-Pandemie den beiden Abenteurern einen gehörigen Strich durch die Rechnung.

Mit den HNF-Nicolai XF3 in Marokko

Die ungeplante Zwangspause verbrachten die beiden in eigenen “Corona-Camp” auf der Schwäbischen Alb, nicht ohne andauernd die Möglichkeiten zu checken, um den geplanten Trip doch noch so schnell wie möglich angehen zu können. Im September 2020 war es dann soweit: Mit Paris als Startort ist man zum “E-Traction – The Trip”-Abenteuer aufgebrochen.

Corona-Camp 2020 auf der Schwäbischen Alb

Die Route führte das Duo durch Frankreich in den Süden, dann über die Pyrenäen durch Spanien nach Portugal. An einer Landspitze unterhalb von Lissabon passierte dann das Unfassbare: Die beiden am Elefantino-Truck befestigten E-Bikes wurden gestohlen, während die beiden Abenteurer sich die Gegend um den dortigen Leuchtturm anschauten. Der Verlust brachte den weiteren Verlauf der Reise dann ziemlich durcheinander, wie man sich denken kann.

Hier war noch alles in Ordnung…

Nach einiger Zeit, in welcher das Team versuchte, die E-Bikes wiederzufinden und sich neu zu sortieren, reisten Susanne und Silvio ins andalusische Chiclana de la Frontera. Dorthin wollte HNF-NICOLAI die neuen Pedelecs schicken, die man nach dem Verlust extra für das Duo aufbaute.

Durch die erneute Zwangspause konnte das Team natürlich nicht mehr den geplanten Reiseverlauf einhalten. Auch die geplante Erstellung von neuem Content fiel erstmal ins Wasser, so dass die beiden sich anderweitig umschauen mussten. Silvio hatte nach Erhalt der neuen Pedelecs die Gelegenheit, nochmals für mehrere Wochen in seinem alten Job zu arbeiten und nahm dafür den Elefantino mit. Susanne plante, dann im Rahmen eines Solotrips zurück nach Deutschland zu reisen.

Susanne Brüsch im Interview

Hier kommen wir von Pedelecs und E-Bikes dann ins Spiel, denn vom südlichsten Zipfel des spanischen Festlandes bis nach Deutschland ist es auch per E-Bike schon eine Strecke. Uns fielen tausend Fragen ein, die wir Susanne Brüsch zu Ihrem Solotrip stellen wollten. Hier nun unser Interview, in dem Susanne rückblickend über ihre Reise spricht:

Hattest du keine Angst alleine zu reisen?
Susanne Brüsch: Auf dem Rad fühle ich mich so zu Hause, dass ich da alleine überhaupt keine Angst habe. Und in Spanien, Frankreich und Europa ist Infrastruktur und wenn nötig auch Hilfe ja nie wirklich weit. Wovor ich am Anfang allerdings Respekt hatte, war alleine wild zu campen. Und prompt war die erste Nacht im Off auch ziemlich unruhig. Im Laufe der Reise habe ich mich aber an die Einsamkeit, die Stille und die unbekannten Geräusche gewöhnt und habe genau diese Nächte alleine draußen in der Natur lieben gelernt.

Ganz alleine war Susanne sowieso nie …

Wo hast Du geschlafen?
Susanne Brüsch: Da bei meiner Abreise aus Südspanien völlig unklar war, wie sich die Lockdown-Situation entwickeln würde, war ich darauf vorbereitet, möglichst lange autark zu sein. Mein Strombedarf war ausschlaggebend für die Wahl der Schlafplätze. Mit 4 Akkus insgesamt brauchte ich jede zweite Nacht eine Steckdose. Die Nächte dazwischen konnte ich wild campen. Letztendlich hatte ich ein glückliches Timing und bin auf der Öffnungswelle von Tarifa bis an den Rhein gesurft. Campingplätze, Hostels und Gasthäuser standen mir also neben der freien Natur offen.

Wie sicherst du das E-Bike, wenn du zeltest?
Susanne Brüsch: Wenn möglich habe ich mein Rad an einen Baum oder einen fest im Boden verankerten Gegenstand (Zaun, Laterne etc.) doppelt angeschlossen. So nah am Zelt wie möglich. Wo das nicht ging, habe ich das Bike zu mir ins Vorzelt genommen. Liegend hatte es im Vorraum knapp Platz, so dass nur ein kleiner Teil der Reifen von außen sichtbar war. Beruhigend fand ich, dass mein Bike einen eingebauten GPS Tracker hat. Über die App bekomme ich eine Meldung, sobald es bewegt wird. Also habe ich das Handy nachts angeschaltet gelassen und auf volle Lautstärke gestellt.

Zelten mit E-Bike, im Hintergrund Ronda

Gab es unterwegs Alternativen, wo du unterkommen konntest?
Susanne Brüsch: Diese Frage habe ich mir bei der Planung natürlich auch gestellt. Was mache ich, wenn Campingplätze, Hostels und Gasthäuser zu haben? Und ich auch in Restaurants und Cafés tagsüber nicht laden kann? Bei Privat über die Warmshowers App z.B. wäre in Corona-Zeiten vielleicht nicht die beste Idee. Dann wären immer noch Tankstellen und Supermärkte als Möglichkeit geblieben. Entsprechend hätte ich meine Route entlang der Hauptstraßen ausrichten müssen. Es wäre gegangen. Aber anders. Weniger entspannt. Weniger schön.

Welche(s) Bauteil(e) an den Pedelecs stellte die größte Herausforderung dar?
Susanne Brüsch: Ein Thema was viele kennen dürften: Die Kompatibilität des Supernova Frontscheinwerfers, der am Lenker befestigt ist, mit der super praktischen Ortlieb-Lenkertasche. Anstatt mich an die Versetzung der voll mit dem System verkabelten Lampe zu wagen, war die Lösung, mit der ich letztendlich gut fuhr, denkbar simpel: Ich platzierte die Lenkertasche auf der Plattform eines Pack & Pedal Gepäckträgers, den ich an der Gabel montierte. Mit einem auf die richtige Länge geknoteten Schnellspanner und Klettband befestigte ich die Tasche. Unterwegs war die einzige Minibaustelle ein gebrochener Fahrradständer. In Tarifa. Glück gehabt. Ich hatte sogar Ersatz dabei. Aber kam mit meinem Biketool nicht an die Schraube. Der nächste Fahrradladen konnte aushelfen. Nach 3000 km waren vorne neue Bremsbacken fällig. Das war’s.

Wo hast du vorrangig die Pedelec-Akkus geladen?
Susanne Brüsch: An Campingplätzen. Oft gab es sogar am Platz eine Steckdose, sonst im Waschhaus oder an der Rezeption. Wenn das Wetter sehr nass war oder es keinen Campingplatz gab, habe ich in Herbergen oder Gasthäusern übernachtet und geladen. Tagsüber war es bei einer längeren Lunch-Pause auch in Cafés kein Problem, die Akkus anzuhängen.

Wie hat deine Strecke zurück nach Deutschland ausgesehen?
Susanne Brüsch: Ich bin in Chiclana de la Frontera bei Cádiz gestartet und zunächst der Atlantikküste nach Tarifa, dem südlichsten Zipfel Spaniens gefolgt. Von dort aus ging die Reise durch die traumhafte Berglandschaft über Ronda, das Olivengebiet um Jaen, das historische Städchen Baeza und den Nationalpark bei Cazorla. Regenwolken in den Bergen haben mich bei Tarragona an die Küste gelockt, die ich dann schnell wieder Richtung Pyrenäen verließ. In Frankreich habe ich die südlichen Ausläufer der Cevennes mitgenommen, mich von der Ardèche überraschen lassen. Nach der Überquerung des Rhonetals südlich von Lyon bin ich dem Ain-Tal durch den französischen Jura gefolgt. Über den Grand Ballon im Elsass ging es über die szenische Rue des Crêtes durch die Vogesen, in den Pfälzer Wald. Das Lautertal hinter mir gelangte ich südlich der Loreley an den Rhein und folgte der Fahrradroute am Fluss entlang bis nach Lahnstein bei Koblenz, dem Ziel der Reise.

Nach welchen Kriterien hast du die Strecke geplant?
Susanne Brüsch: Meine Route hat sich mehr oder weniger von Tag zu Tag ergeben. Schlaf- und Lademöglichkeiten, Wetter und Himmelsrichtung waren bestimmend. Hauptstraßen habe ich versucht zu vermeiden und mir stattdessen möglichst kleine Straße durch die Berge ausgesucht. Dazu fahre ich ja ein Pedelec! Einer Einladung nach Baeza bin ich gerne gefolgt und habe mich immer über die Tipps von Einheimischen gefreut.

Wie lange hast du für die Rückreise eingeplant?
Susanne Brüsch: 46 Tage war ich unterwegs, davon 39 Fahrtage und 7 Standtage, an denen ich am Rechner gearbeitet habe.

Was nimmst du aus der zurückliegenden Reise in Corona-Zeiten mit?
Susanne Brüsch: Es wird nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird. Das war wichtigste Lehre aus den Erfahrungen unserer vorhergehenden Reise von Paris nach Lissabon und weiter nach Spanien, wo wir im Rahmen unseres „E-Traction – The Trip Projekts“ überwintert haben. Gesunder Menschenverstand bei unüberschaubaren, sich ständig ändernden und zum Teil absurden Regeln war immer noch der beste Ratgeber.

Welches Land hat dich auf deiner Soloreise am meisten fasziniert?
Susanne Brüsch: Die Zeit in Andalusien war für mich das Highlight. Das Gesamtpaket hat es ausgemacht: wunderschöne Landschaft, herzliche, aufgeschlossene Menschen, malerische, lebendige Dörfchen, überall und zu jeder Tageszeit leckeres Essen, stabiles, warmes Wetter, gute, leere Straßen und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis auf der Reise.

Tipps für Andalusien?
Susanne Brüsch: April und Mai sind großartige Monate, um Andalusien zu bereisen. Es ist warm, aber noch nicht zu heiß und alles blüht. Vor meiner Solo-Radreise haben wir in Andalusien überwintert und Ausflüge gemacht soweit möglich. Besonders gefallen haben mir die historischen Pueblos Blancos (weiße Dörfer) z.B. Vejer de la Frontera. Càdiz mit seiner Festungsanlage ist sehenswert und natürlich Sevilla mit seiner Flamenco-Kultur. Unbedingt an der Plaza de l’ Europa vorbeischauen! Die Wanderdüne bei Bolonia an der Atlantikküste ist ein Ausflugsziel der besonderen Art, ebenso wie die Altstadt von Tarifa in ihrer exponierten Lage mit Blick auf Afrika und den vielen originellen Shops und Cafés. Während meiner Radreise ist mir besonders die schöne Bergstrecke von Tarifa bis in die historische Stadt Ronda mit ihrer imposanten Schlucht und Brücke im Gedächtnis geblieben. Ebenso die Strecke zwischen Àlora über Loja nach Jaén. Aus der Region um Jaén stammen 25 % der weltweiten Olivenölproduktion. Ein Besuch in einer Ölivenölfabrik gibt spannende Einblicke zur Herstellung des flüssigen Goldes. Der kleine Ort Baeza ist ein historisches Juwel in dieser Region das die älteste Kathedrale und die erste Universität in Andalusien beherbergt.

Was hat dich in Frankreich am meisten beeindruckt?
Susanne Brüsch: Landschaftlich ist Südfrankreich wunderschön und abwechslungsreich. Die Boulangerien habe ich lieben gelernt, die fast überall zu finden sind und noch selbst ihr Baguette und viele Leckereien backen. Toll ist auch, dass es überall Campingplätze gibt und generell eine sehr freizügige Campingkultur herrscht. Ebenso hat mich die Einkaufskultur mit vielen regionalen Produkten begeistert.

Tipps für Frankreich?
Susanne Brüsch: Sich in den verwinkelten Nebenstraßen der Cévennes verlieren. Zur Nebensaison die Schluchten der Ardèche erkunden. Hier kann ich den sehr schön am Fluss gelegenen Campingplatz Les Platanes empfehlen. Und wo immer ein Bäcker ums Eck ist, ein Erdbeer-Pudding-Törtchen mitnehmen! Wer in den Vogesen unterwegs ist, dem kann ich die Gipfelkammstraße und die dortige Refuge du Sotré empfehlen.

Pudding-Törtchen? Ja!

Welches stellen die größten Herausforderungen hinsichtlich der Technik dar? Mobilfunk, Datenvolumen, Energieversorgung oder vielleicht etwas ganz anderes?
Susanne Brüsch: Die Netzabdeckung in Deutschland! 😉

Mobilfunk? Gibt’s hier wahrscheinlich nicht … 😉

Was machst du zuerst, wenn du in Deutschland ankommst?
Susanne Brüsch: Mein nasses Regenzeug ausziehen! Natürlich war es ein großer Moment, Silvio und unseren Overlander Truck Elefantino nach 3 Monaten wiederzusehen. Ebenso meine Familie und die Kinder nach fast einem Jahr…

Vermisst du das deutsche Essen?
Susanne Brüsch: Frühstück nachmittags um 4 vielleicht. 😉

Vermisst jemand hier vielleicht das deutsche Essen? Nein! 😉

Wie sehen deine Pläne in naher Zukunft aus?
Susanne Brüsch: Wir sind schon wieder on the Road, diesmal mit dem vollständigen Reisesetup zu zweit und auf 8 Rädern. Kam ich eben mit dem Rad vom südlichsten Punkt des europäischen Festlands, geht es nach einem „Boxenstopp“ in Deutschland nun weiter zum nördlichsten Punkt. Ihr dürft gespannt sein! (Mittlerweile ist Susanne schon am Nordkap angekommen und von dort mit dem Rad durch Norwegen gestartet; Anm. d. Red.)

Wirst du „E-Traction – the Trip“ nachholen, oder eine ganz neue Reise planen?
Susanne Brüsch: Unser Weltreiseprojekt „E-Traction – The Trip“, das E-Bike Reisen mit einem nomadischen Lebensstil verbindet, geht weiter. Wir machen, was möglich ist und hoffen wieder auf mehr Reisefreiheit in der Zukunft. Ungeplanter Weise ist nun Europa als erster Kontinent in den Fokus gerückt und ich bin fasziniert, wie viel es auch hier zu entdecken gibt.

Vielen Dank, Susanne!

Wir bedanken uns herzlich bei Susanne Brüsch für Ihre Zeit und wünschen dem weltreisenden Duo weiter atemberaubende Erlebnisse auf der jetzigen Reise und allen zukünftigen Trips! Bis bald! 🙂

Verfolgt doch auch den Weg von Susanne und Silvio auf www.pedelec-adventures.com und www.etraction-thetrip.com.