So geschieht es gerade im Rahmen des bundesweiten “Schaufensters Elektromobilität” im Raum Stuttgart, wo im Zusammenhang mit dem Projekt NETZ-E2R an wichtigen Bahnhaltepunkten Ausleihstationen für Pedelecs errichtet werden sollen.
Die erste ihrer Art ist in Bietigheim-Bissingen schon seit Oktober 2013 nutzbar und soll im Pilotbetrieb eventuelle Schwächen oder Mängel sichtbar machen. Betrieben werden die E-Mobility-Stationen mit Hilfe von Nextbike, einem europaweit tätigen Fahrradverleih-Dienstleister aus Leipzig.
Die Leihstationen für Pedelecs geben Interessierten die Möglichkeit, sich mit dem E-Bike anzufreunden, es einmal (oder auch öfter) auszuprobieren, bevor man sich vielleicht zum Kauf eines eigenen Modells entscheidet. Auch Pendelnde können mit Hilfe der E-Bikes ihr Auto stehen lassen und damit zur Arbeit fahren.
So weit, so gut.
Weitere Stationen des Projektes folgten dann im September 2014 in Schwieberdingen und nun eben gerade im März 2015 in Waiblingen. Natürlich finden wir es toll, dass das Projekt weitergeführt wird und nicht einschläft. Doch, sollte man dabei nicht darauf achten, dass die verwendeten Leih-Pedelecs auch zur Region passen?
Die Gegend um Bietigheim-Bissingen ist schon hügelig, um Schwieberdingen noch Einiges mehr. Hat man bei der ersten E-Bike-Station in Bietigheim, vielleicht auch aus Rücksicht auf den führenden Antriebshersteller aus der Region, auf ebenfalls in der Region entwickelte Pedelecs von Centurion mit dem Bosch-Antrieb der 1. Generation gesetzt, so griff man in Schwieberdingen zu ganz anderen E-Bike-Modellen.
Die verpasste Chance
Hier kommen Modelle mit dem Hinterrad-Antrieb von Ansmann zum Einsatz, der unseren eigenen Testerfahrungen nach vielleicht eher für platte Gegenden im Norden oder flach bauende Städte wie Karlsruhe oder Berlin geeignet ist.
Als weitere Einschränkung muss der Fahrer des Leihpedelecs mit Ansmann-Motor auf eine Anzeige der Reichweite verzichten — für jemand der zum allerersten Mal fährt, ist dies eine gehörige Einschränkung. Vor allem, da er bei der ersten Fahrt die Reichweite ja schlecht einschätzen kann. Wer hier enttäuscht wird, fährt vielleicht für lange Zeit zum letzten Mal!
Unser Selbsttest vor einigen Wochen hat aufgezeigt, dass die für die Station in Schwieberdingen angeschafften E-Bikes eher nicht für Touren in der Region geeignet sind. Natürlich kann man nun argumentieren, dass die Pedelecs auch für Zug-Pendler unter der Woche gedacht sind, welche damit den (kurzen?) Hin- und Rückweg von und zum Bahnhof zurücklegen sollen.
Wie die Station in Bietigheim aber gezeigt hat, wurde das neue E-Mobility-Angebot bisher aber auch rege von Touristen genutzt, die vielleicht aus dem näheren Umgebung oder aber sogar von weiter her in die Region kommen, um dort schöne Touren mit dem E-Bike zu unternehmen.
Wer dann einmal in einer ihm unbekannten Gegend mit dem E-Bike aufgrund leerer Batterie liegen bleibt, der kommt so schnell nicht wieder. Dank der Reichweiten-Anzeige des Bosch-Systems bei den E-Bikes in Bietigheim können auch unerfahrene Nutzer den Radius der zu fahrenden Tour gut abschätzen. Das geht mit den Pedelecs der Schwieberdinger Station nahezu nicht.
Auch die Antriebsleistung am Berg, von denen zum Beispiel auf der Strecke in Richtung Leonberg eine große Anzahl eine nicht unerhebliche Steigung aufweisen, zwingt die Nutzer dazu, den größten Anteil der eingebrachten Leistung selbst zu übernehmen. Das führt die Vorteile von Pedelecs ad absurdum.
Unserer Meinung nach hat man hier eine gute Chance verpasst, mehr Leuten die Nutzung von E-Bikes schmackhaft zu machen. Und das an einem Ort, an dem der größte Arbeitgeber Bosch heißt.
Neue E-Bike-Station in Waiblingen
Vor ein paar Tagen wurde dann die E-Bike-Station in Waiblingen eröffnet, der Stadt an der Rems, die umgeben ist von zahlreichen Tälern und dementsprechend vielen Hügeln und auch Weinbergen. Und hier kommen ebenfalls, wie schon in Schwieberdingen, die selben Pedelecs mit dem Hinterrad-Antrieb von Ansmann zum Einsatz, der unserer Ansicht nach nicht für Miet-eBikes in dieser Region taugt.
Wer Neulingen und Interessierten die E-Mobility auf zwei Rädern schmackhaft machen möchte, sollte diese ihnen von der besten Seite zeigen. Dazu gehören Pedelecs, die das machen, was man als Einsteiger in die Materie von diesen erwartet: an schwierigen (bergigen) Passagen den Fahrer bestmöglich zu unterstützen.
Die Möglichkeiten nutzen
Es geht uns in diesem Beitrag nicht um den Ansmann-Motor, der kompakt baut und auch eine gute und konstante Leistung abgibt, nur eben für andere Anwendungsfälle besser geeignet scheint. Uns missfällt, dass für dieses Projekt im Rahmen “Schaufenster Elektromobilität” in Baden-Württemberg eine mögliche Chance aufs Spiel gesetzt wird, mehr Menschen für das Fahren mit dem Pedelec zu begeistern. Und das durch eine unpassende Auswahl der E-Bikes bzw. des Antriebssystems.
Dabei muss es mitnichten ein Bosch-Antrieb sein. Wir sind froh über die Vielfalt der derzeit angebotenen Systeme und schätzen die Antriebe von Yamaha, Panasonic, Shimano oder brose ähnlich geeignet ein. Es geht hier darum bei einem subventioniertem Modellprojekt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Und zwar vor allem die Möglichkeit, mehr Menschen dafür zu begeistern.
Nur dann hat man das angestrebte Ziel erreicht!
Unserer Meinung nach läuft das Projekt derzeit in eine falsche Richtung, die eher kontraproduktiv wirken kann. Hier sollte unbedingt entgegen gesteuert werden und mehr auf das angestrebte Ziel hingearbeitet werden: Begeisterung für E-Bikes und Pedelecs zu wecken!
Wir hoffen, dass in den nun folgenden Stationen wie Herrenberg, Kirchheim am Neckar, Holzgerlingen, Plochingen, Filderstadt, Vaihingen an der Enz, Ludwigsburg, Fellbach oder Schorndorf mehr auf die Auswahl der Pedelecs geachtet wird. Hier sollte Eignung für das umgebende Gelände stets Vorrang vor dem Preis oder ähnlichen Aspekten haben.
Weitere Informationen zum Projekt:
- NAMOREG
- LivingLab BWe mobil
- Preis für NETZ-E2R
- Schaufenster Elektromobilität
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10. Mai 2015
Wie von uns befürchtet, sind nun alle E-Bikes auf die Modelle mit dem Antrieb von Ansmann umgestellt worden — auch die am Bahnhof in Bietigheim-Bissingen.
Damit sind die Modelle vielleicht noch für die Fortbewegung in der City geeignet (obwohl es dort auch genug Berge gibt), aber für Tagestouren an Neckar und Umgebung quasi gestorben.
Wer sich dort auskennt, weiß, dass es in der Gegend genug richtig steile Anstiege gibt, bei denen der Hinterradantrieb dann regelmäßig überfordert ist.
Der Bosch kam problemlos rauf, was kein Wunder ist, denn schließlich wurde er ja dort getestet… 😉
Wer das E-Bike-Fahren erstmals ausprobieren möchte und dann schieben muss, fährt vielleicht nie wieder!
Schade, schade! So bringt man die Masse nicht aufs E-Bike, sondern verbrät nur unnötig das Steuergeld der Leute!!!