Canyon, einst Vorreiter des Direktvertriebs im Fahrradmarkt, bekommt die Schattenseiten des D2C-Modells (Direct-to-Consumer) zunehmend zu spüren. Was lange als Erfolgsrezept galt – hochwertige Räder direkt ab Werk, ohne Zwischenhändler – entwickelt sich in einem überfüllten Markt zum Problem.
Wesentlicher Auslöser ist der branchenweite Preiskampf. Ohne Fachhandel als Preispuffer muss Canyon Rabatte direkt an Kunden weitergeben, was die Gewinnmarge erheblich schmälert. Trotz stabiler Umsätze von 792 Millionen Euro im Jahr 2024 stieg der Jahresverlust auf 38 Millionen Euro – fast dreimal so hoch wie im Vorjahr. Der Wert des Canyon-Anteils des Großinvestors GBL fiel in 2024 laut dessen Jahresbericht von 460 auf 261 Millionen Euro.
Ein weiterer Belastungsfaktor ist der enorme Lagerbestand: Anfang 2024 saß Canyon auf Waren im Wert von über 417 Millionen Euro. Um Platz zu schaffen, wurden zahlreiche Modelle mit hohen Preisnachlässen angeboten – ein Teufelskreis, der den Preisverfall weiter anheizt.
Zusätzlich litt das Unternehmen unter Qualitätsproblemen bei bestimmten E-Mountainbikes, die vorübergehend nicht verkauft werden konnten. Solche Rückschläge treffen Direktanbieter besonders hart, da sie auch für Service und Reklamationen selbst verantwortlich sind.
Canyon reagiert mit neuen Angeboten wie einem Online-Konfigurator („MyCanyon“) und erweitertem stationären Vertrieb. Doch diese Maßnahmen verursachen zunächst zusätzliche Kosten – und lösen die grundsätzlichen Probleme des Direktvertriebsmodells nicht.
Der Fall Canyon zeigt exemplarisch, wie verwundbar reine D2C-Strategien in einem von Überangebot und Rabattschlachten geprägten Markt sein können. Ein Umdenken scheint unvermeidlich.
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