Unsicherheit beim Radfahren muss nicht sein. Bevor man im Alter das Radfahren oder E‑Biken schweren Herzens einstellt, gibt es mittlerweile diverse Lösungen, damit auch ältere Menschen noch mobil per Rad sein können. Dank kippstabiler Dreiräder oder leichter Kompaktbikes wird der Radius erweitert und Lebensqualität erhalten.
„Wir haben es alle bislang hingenommen, dass man im Alter irgendwann nicht mehr Rad fährt. Aber es gibt Lösungen, die einladen, Radfahren noch mal auszuprobieren“, sagt Gina Lacroix, Geschäftsführerin von Cargobike.jetzt.
Das Unternehmen war mit der Roadshow Stabil mobil deutschlandweit unterwegs, um Menschen vor Ort zum Fahren auf Dreirädern zu animieren und das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.
Räder liefern Alltagskomfort
Bei vielen Menschen herrschen nämlich noch Vorteile und auch eine gewisse Scham hinsichtlich der Räder: Mit Dreirädern verbinden sie Gefährte für Kinder oder unhandliche, extrem breite Fahrzeuge.
„Den Satz ‚Ich teste mal für einen Bekannten‘ habe ich sehr oft gehört“, lacht Lacroix. Doch die Vorteile liegen auf der Hand: Ein Sturz ist weniger gefährlich, da die Gefahr, über den Lenker zu stürzen, minimiert wird. Auch kann man sicher stoppen und anfahren oder mit Ladung wie Einkäufen langsam fahren, ohne ins Schlingern zu geraten. Lacroix plädiert deshalb dafür, nicht vom Spezialrad, sondern vom Komfortrad zu sprechen.
Erfahrungen sammeln
Ähnlich sieht es Alexander Kraft, Pressesprecher beim Spezialradhersteller HP Velotechnik: „Man stößt schnell an Grenzen, bevor man die Menschen überhaupt für das Thema richtig begeistern kann. Aber man muss diese Barrieren überwinden.“
Veranstaltungen wie Stabil mobil oder die Spezialradmesse Spezi, die ab 2026 in Freiburg stattfindet, laden ein, sich mit den Rädern, die heute noch als abseits der Norm gelten, zu beschäftigen und die Vorteile im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren.
„Spezialräder heute sind vergleichbar mit Cargobikes vor zehn Jahren“, sagt Kraft.
Was er damit meint: Vor zehn Jahren war die Bekanntheit von Cargobikes gering, heute sind sie aus den Städten nicht mehr wegzudenken. Ähnlich soll es nun auch mit den Spezialrädern werden, wobei diese den Vorteil genießen, dass dank Cargobikes bereits eine höhere Akzeptanz für dreirädrige Modelle besteht.
„Die Menschen haben gemerkt, dass Fahrrad deutlich mehr ist“, meint Kraft, und ergänzt, dass Interessierte auch bereit seien, mehr Geld in die Fahrräder zu investieren.
Lieber früh aufsteigen
Die beiden Fachleute raten deshalb dazu, sich möglichst frühzeitig mit dem Thema Spezialrad auseinanderzusetzen. Der Markt an Dreirädern wächst und so können Fahrräder für die aktuelle Lebenssituation ausgewählt und bei Bedarf auf spätere Bedürfnisse individuell angepasst werden. Die Hersteller nutzen deshalb die Testveranstaltungen, um die Rückmeldungen der potenziellen Kundschaft für ihre Produktentwicklung zu nutzen.
So hat HP Velotechnik z. B. eine Gehstockhalterung entwickelt oder die Sitzhöhe eines Modelles erhöht, damit die Nutzer:innen einfacher ein- und aussteigen können. Auch praktisch: Viele der Fahrzeuge, z. B. von Bernds oder HP Velotechnik, sind faltbar und lassen sich im Kofferraum verstauen. So sind auch Ausflüge oder Urlaubsfahrten mit den Rädern möglich.
Vom Spezialrad ans E-Bike
Der Spezialradmarkt bedingt jedoch auch Lösungen, die für die ganze Fahrradbranche von Nutzen sind. So musste HP Velotechnik bereits vor einigen Jahren einen Blinker für mehrspurige S‑Pedelecs entwickeln, da sie gesetzlich vorgeschrieben waren.
In der praktischen Anwendung ergab das allerdings Sinn: Menschen, die einen Schlaganfall hatten, nutzen Dreiräder, um sich sportlich zu betätigen und mobil zu sein. Das fördert die Regeneration. Durch eingeschränkte Bewegungen sind jedoch Armzeichen beim Abbiegen nicht mehr möglich, der Blinker ein willkommener Helfer. Mittlerweile sind Blinker auch an allen anderen Fahrrädern und E‑Bikes erlaubt.
Trend zum kleinen Reifen
Auch 20-Zoll-Räder, auf denen Dreiräder in der Regel rollen, liegen mittlerweile im Trend. Bei Dreirädern machen die 20-Zoll-Reifen Sinn, da sie einen kleinen Wendekreis ermöglichen. Zudem stehen kleine Reifen für ein sportliches, agiles und wendiges Fahrgefühl. Faktoren, die mittlerweile auch bei Zweirädern, den sogenannten Kompaktbikes, gefragt sind.
„20-Zoll-Bikes sind Alternativen für Menschen, die noch mit dem Thema Spezialrad fremdeln. Die Räder sind sportlich, aber weniger wacklig als Fahrräder mit großen Reifen. Außerdem gibt es leichte Modelle mit E‑Antrieb, die man auch mal tragen kann. Alles Vorteile für ältere Menschen“, erklärt Lacroix.
Infrastruktur muss nachziehen
Die wachsende Spezialrad-Nachfrage stellt aber Kommunen vor neue Herausforderungen. Um die Alltagsmobilität älterer Mitbürger:innen zu sichern, müssen Radwege und Radparkplätze breiter und sicherer gedacht werden.
Gerade der ländliche Raum kann deshalb profitieren: „Hier besteht eine große Chance, weil viele Leute den erforderlichen Platz haben, Räder unterzustellen“, weiß Lacroix.
Deshalb machte die Roadshow Stabil mobil auch in kleineren Städten Station und traf dort auf eine große Resonanz. Der Start der Roadshow erfolgte übrigens in Stuttgart. Dort gibt die Stadt bis zu 2.500 Euro an Fördermitteln für die Anschaffung von Elektro-Dreirädern für Menschen mit Schwerbehindertenausweis. Bislang wurden 45 Anträge bei der Stadtverwaltung gestellt (Stand: 1. Oktober 2025). Derartige Aktionen helfen, der wichtigen Thematik mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.
Eine weitere Option wäre, dass die Menschen im Urlaub mit dem Thema in Kontakt kommen. Ähnlich wie bei E‑Bikes, die anfänglich auch vornehmlich in Urlaubsregionen zu Testzwecken nachgefragt wurden, können Touristik-Unternehmen verstärkt auf den Radverleih von Dreirädern setzen und somit auch neue Zielgruppen ins Auge fassen.
„Wer Tretboot fahren kann, der kann auch Sesseldreirad fahren“, sagt Lacroix mit Blick auf die Einfachheit der Mobilitätslösung.














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