Wo werden die Bremsen entwickelt und produziert, denen nicht nur die Deutsche Post vertraut?
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Vor kurzem waren wir bei Fahrwerker GmbH in Metzingen zu Besuch, die zur Eurobike 2025 mit der F-Vision eine neue Bremse für E-MTB-Fahrer vorgestellt hatte. Gegründet wurde das Unternehmen kurz vor Beginn der Corona-Pandemie im Februar 2020 von Jochen Coconcelli, ehemaliger erfolgreicher Mountainbike-Rennfahrer im CrossCountry-Segment und bis Ende 2019 als Leiter Entwicklung bei Magura in Bad Urach tätig. Was die Bremsen seines Teams und ihm mit der Deutschen Post zu tun haben und vor allem wie sie sich in der Praxis bewähren, erfährt man jetzt in diesem Bericht.

Fahrwerker – Entwicklung und Produktion

Der Sitz der Fahrwerker GmbH befindet sich nahe der Metzinger Innenstadt, unweit der Outletcity, die jedes Jahr Millionen von Besuchern anzieht. Abseits davon wirkt das Städtchen aber eher ruhig und schwäbisch traditionell.

Umgeben von Weinbergen und Streuobstwiesen liegt die Erholung quasi vor der Haustür und nicht nur das Team von Fahrwerker arbeitet im besten Sinne dort, „wo andere Urlaub machen“.

Die Fahrwerker GmbH ist in einem Gebäude untergebracht, in welcher früher Tom Tailor seine Fashion gelagert hat, inzwischen aber in größeres Lager am Rande der Stadt umgezogen ist.

Besucher und Kunden gelangen über den hinteren Eingang in die Firma, wo man seit Neuestem auch eine kleine Fahrradwerkstatt eingerichtet hat. Dies als Service für die Metzinger Fahrradfahrer, weil immer mehr Werkstätten und Shops in der Stadt in der letzten Zeit geschlossen hatten.

Büro, Werkstatt und Produktion befinden sich offen in einer großen Halle und sind lediglich durch Trennelemente voneinander abgegrenzt. Unmittelbar am Eingangsbereich ist das Büro platziert. Der Chef arbeitet an einem Einzelarbeitsplatz, während die übrigen Büromitarbeiter ihre Aufgaben an einer Dreier-Schreibtischkombination erledigen.

Zwischen Büro und Produktion stehen einige Fahrzeuge, die mit Produkten des Unternehmens ausgerüstet sind, darunter die allseits bekannten Scooter-Trikes der Deutschen Post.
Mit einer Belastbarkeit von bis zu 350 kg pro Bremssattel und der optionalen mechanischen Feststellbremse ist die F-4000 ideal für kommerzielle Transportlösungen und innovative Mobilitätskonzepte geeignet.

Die einzelnen Produkte des Herstellers werden dort ebenfalls präsentiert, häufig in ähnlicher Aufmachung wie auf dem Messestand. Neben Bremsen bietet Fahrwerker beispielsweise auch stabile Laufräder an, welche die Schwächen traditioneller Speichenräder überwinden.

Anschließend besichtigten wir die Produktion, wo Benjamin uns den Fertigungsprozess einer Bremsanlage demonstrierte. Fahrwerker bietet derzeit Bremsen für zwei- (F-2000) und vierrädrige Fahrzeuge (F-4000) an, zukünftig ergänzt durch die F-Vision für den sportlichen Einsatz.

Nach dem Ablängen des benötigten Bremsschlauchs werden die Anschlussstücke aufgebracht.
Dann folgt das Einschrauben des Gegenparts am Bremssattel, der dann mit dem benötigten Drehmoment angezogen wird.

Dann folgt das genaue Einbringen des Kolbens, was über eine spezielle Vorrichtung erfolgt.
Nun kann man den Bremssattel über den Bremsschlauch mit dem vorbereiteten Bremsgriff verbinden, wobei auch hier ein gewisses Drehmoment beim Anziehen verwendet wird.

Es werden dann die Bremsbeläge mit Transportschutz und die Halterung für die Befestigung am Bremssatteladapter installiert.

Auch am Bremshebel komplettiert der Mitarbeitet die benötigten Halterungen.

Dann erfolgt die Befüllung, für die das Team von Fahrwerker eine spezielle Vorrichtung entworfen hat, die wir hier leider nicht zeigen dürfen.

Die Bremsanlage ist jetzt fertiggestellt und bereit für die Auslieferung. Die Produktion verläuft zügig und dank vorgefertigter Komponenten ohne größere Unterbrechungen.

Bis zu 50.000 Bremsanlagen könnte man (in zwei Schichten) theoretisch am Standort hier pro Jahr produzieren, so Jochen Coconcelli im Gespräch mit Pedelecs & E-Bikes.

Wir erfahren in diesem Gespräch außerdem, dass die Deutsche Post maßgeblich an der Gründung des Unternehmens beteiligt war und den Entwicklungschef von Magura ermutigte, sich in diesem Bereich selbstständig zu machen.

Bis heute ist das Unternehmen mit den gelben Fahrzeugen auch Hauptabnehmer der Produkte von Fahrwerker und lässt sogar Fahrräder, die derzeit noch mit Produkten anderer Hersteller ausgerüstet sind, nach und nach auf die Produkte aus Metzingen umrüsten.

An den Produktserien hält man auch in Zukunft fest, wie der Geschäftsführer sagt, erweitert mit der E-MTB-Bremse jetzt aber sein Portfolio in das sportliche Segment, welches auch von der innovativen Technologie des Unternehmens profitieren soll.

Alle Bremssysteme werden mit speziell entwickelten Bremsscheiben geliefert, die sich durch eine 20 mm hohe Reibfläche und eine Dicke von 2 mm auszeichnen. Die FEM-analysierten Scheiben bieten extrem hohe Haltbarkeit und Hitzebeständigkeit.

Neben den standardmäßigen 6-Loch-Aufnahmen bietet Fahrwerker auch individuelle Schnittstellen, wie 4-Loch-Systeme mit unterschiedlichen Lochkreisen an.

Das Produktportfolio kann ausgeweitet werden. Neben den Laufrädern hat das Team beispielsweise auch eine Federgabel im Qualitätsniveau der Bremssysteme entwickelt, die bisher jedoch nur als Prototyp existiert.

Auch kann die Produktionsfläche in der Halle noch erweitert werden, wenn es notwendig wird. Aktuell nutzt man noch nicht den kompletten Platz und sieht sich so gut aufgestellt für die Zukunft.

Auf der Testfahrt

Natürlich waren wir gespannt, die innovativen Produkte vor Ort zusammen mit dem Gründer Jochen Coconcelli auszuprobieren.

Dafür bietet die Lage von Metzingen beste Voraussetzungen. Mit einem E-Longtail von Radkutsche, welches mit dem Bosch Cargo Line Antrieb ausgerüstet ist, konnte man die Anstiege rund um Metzingen gut erklimmen.

Die erreichten wir nach kurzer Fahrt durch die Stadt, während Jochen auf einem Stevens E-Inception unterwegs war, welches mit der neuen F-Vision bestückt war. So konnten wir beide Bremssysteme unterwegs ausprobieren.

Oben angekommen, hatte man einen schönen Blick auf Metzingen und das Ermstal, eingebettet in das Biosphärengebiet Schwäbische Alb.

Hier noch einmal ein Blick durch die Fahrwerker F-2000 Bremsanlage, bevor diese dann bergab ihre Stärken ausspielen durfte.

Am über 30 Kilogramm schweren E-Lastenrad machte diese bereits ab Eingewöhnung eine gute Figur, ließ sich hervorragend dosieren ohne dass man Probleme mit einem zeitweisen Überbremsen gehabt hätte.

Nach mehreren Runden bergauf und wieder bergab erledigte die Bremse aus Metzingen immer noch klaglos ihren Dienst und fiel nicht durch Fading oder sonstige Einschränkungen auf.

Zeit, um mal so richtig an die Grenzen zu gehen. Dazu fuhren wir von oben auf der Straße in Richtung Metzingen herunter, die Bremse maximal schleifend und mit dem Motor als Gegenpart.

Bergab bin ich dabei so mehr ins Schwitzen gekommen, als zuvor bergauf! 😉 Die Bremsscheibe aber musste noch mehr schwitzen, denn sie fing so richtig an zu glühen, was mir Jochen unterwegs bestätigte.

An der Bremskraft merkte man dies nicht, denn diese blieb beständig auf sehr hohem Niveau und zeigte keinerlei Fading. Nur der Fahrer musste sich kurz mal ausruhen und überzeugte sich vom guten Zustand der voll in Anspruch genommenen Bremse.

Wir fuhren noch eine Runde bergauf, wobei die Bremse jetzt zeitweise ein bisschen geräuschvoller agierte, ohne aber an Bremsleistung vermissen zu lassen.

Nach so einer Tortur hatten wir trotzdem noch eine besondere Aufgabe für die Bremse vorgesehen: Wir wollten das E-Longtail voll beladen und dann wieder einen steilen Berg bergab hinunter, um die bereits malträtierte Bremse so nochmals zu prüfen.

Das Ergebnis: Die Fahrwerker F-2000 meisterte alle Herausforderungen problemlos, überzeugte weiterhin mit hoher Bremsleistung und erwies sich als zuverlässiger Partner auf der Fahrt! Und das trotz der vergleichsweise dünnen Bremsscheibe von nur 2 mm und einem Durchmesser von lediglich 200 mm.

Schließlich wechselten wir noch die Fahrzeuge und ich konnte mich von den Vorzügen der F-Vision am Stevens E-MTB überzeugen. Die kommende Bremsanlage agiert bissiger, aber immer noch sehr gut dosierbar und stellte einen nicht vor Probleme.

Die Standfestigkeit ist, wie bei anderen Bremsenserien der Marke, auf einem sehr hohen Niveau und eignet sich hervorragend für sportlich gefahrene E-Mountainbikes. Natürlich kann man erst bei einem längeren Test herausfinden, wie die Bremse dann im sportlichen Einsatz performt.

Wir fuhren am Schluss noch über einen kleinen Trail hinunter nach Metzingen, wo man die Dosierbarkeit der Bremse nochmals austesten konnte, Jochen dabei sogar mit dem
Radkutsche SOLID. 😉

Fazit

Was das Team von Fahrwerker unter der Leitung von Jochen Coconcelli in Metzingen geschaffen hat, überzeugt auf ganzer Linie. Arbeitsweise, Vision und Standort wirken stimmig, aber vor allem die Performance der Produkte ist herausragend. In nur kurzer Zeit haben wir einen guten Einblick bekommen, wie sich der Hersteller von anderen unterscheidet und was man noch in Zukunft vom Unternehmen erwarten kann. Wir bedanken uns für die Gastfreundschaft und wissen jetzt aus eigener Erfahrung, warum Fahrwerker auf diesen Leitspruch setzt: „Perform stronger.

Disclaimer: Wir wurden von Fahrwerker zum Firmenbesuch eingeladen. Verköstigung (Frühstück) wurde gestellt, die Anfahrt erfolgte auf eigene Kosten. Vorgaben zur Berichterstattung wurden keine gemacht.