Von den Bedienelementen über die Kurbeln samt Mittelmotor bis hin zur Schaltung kommt hier alles aus einer Hand
11 min Lesezeit

Soeben wurde der SRAM Eagle Powertrain vorgestellt, ein kompletter Antriebsstrang auf Basis der zuletzt vorgestellten Transmission-Komponenten, die jetzt zusätzlich mit einem speziell angepassten Antriebssystem kombiniert wurden. Damit können E-Mountainbikes aufgebaut werden, die mit durchweg aufeinander abgestimmten Antriebskomponenten ausgerüstet sind und so im besten Fall genauso funktionieren, wie es sich die Entwickler ausgedacht haben. Als Launch-Partner hat SRAM vier Marken auserkoren, die ab Oktober ihre Modelle mit dem System präsentieren werden: Propain, Gasgas, Nukeproof und Transition Bikes, weitere sollen folgen. Wir stellen die Neuheit hier jetzt genauer vor.

SRAM Eagle Powertrain im Detail

Schon früh war SRAM im Markt der E-Bike-Antriebe aktiv. Vielleicht erinnern sich manche noch an die Sparc-Nabenmotoren mit Getriebe und RC-Motoren zum Nachrüsten? Das war vor 20 Jahren. Zehn Jahre später folgte mit der SRAM E-Matic ein weiterer Versuch, der aber nach einiger Zeit sang- und klanglos eingestellt wurde.

Als die US-Amerikaner dann kürzlich die E-Bike-Antriebssparte Amprio vom deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall übernahmen (offizielle Bestätigung steht bis heute aus), erwarteten viele Beobachter, dass der Spezialist für Antriebskomponenten schon bald mit einem eigenen Antrieb um die Ecke kommt.

Weit gefehlt, denn beim dritten Anlauf in diesem Segment hat man mit einem bereits etablierten Antriebshersteller zusammengearbeitet: Brose Antriebstechnik aus Berlin. Zusammen mit diesem hat man den bewährten Drive S Mag Antrieb an seine Vorstellungen angepasst.

Diese Integration erfolgte um die früher im Jahr vorgestellte Transmission-Technologie von SRAM herum und wurde so gestaltet, dass die elektronische Schaltung samt Bedieneinheiten bestens mit dem Antriebssystem harmonieren.

SRAM verspricht zum Launch, dass bisher störende Eigenschaften von Schaltungen ad acta gelegt werden können:

Kein Umwerfer mehr.
Keine Schaltzüge mehr.
Kein Schaltauge mehr.
Keine Barrieren mehr.

Mit Eagle Powertrain haben wir
die Kompromisse abgeschafft.SRAM Claim

Mit der Bündelung seiner Schlüsseltechnologien geben sich die US-Amerikaner nicht zufrieden, denn mit Autoshift und Coast Shift hat man jetzt Ähnliches im Portfolio, was Konkurrent Shimano im vergangenen Jahr mit Free Shift und Auto Shift vorgestellt hatte.

Bei SRAM funktioniert dann nahezu alles über hauseigene proprietäre Funktechnologie, über die das System auch immer aktuell gehalten werden kann. Sebastian Dueweling, Chief System Engineer bei SRAM, teilt dazu mit

Es war eine einzigartige Gelegenheit, ein ganzheitliches System zu entwickeln. Alle Komponenten – vom Display bis zum Schaltwerk – bilden eine perfekt aufeinander abgestimmte Einheit. Unsere AXS-Funktechnologie hat es uns ermöglicht, Funktionen wie Auto Shift, Coast Shift und die grenzenlosen Möglichkeiten von Eagle Transmission zu schaffen, die das Schalten unter Volllast ermöglichen.Sebastian Dueweling

SRAM Eagle Powertrain hat bereits die renommierte UCI EWS-E-Serie gewonnen, die als eine der härtesten Rennserien der Welt gilt. Dieses Siegerteam wurde von Yannick Pontal im Rahmen des BlackBox Test Pilot Program gefahren, und es ist dasselbe Eagle Powertrain-System, das heute auf dem Markt erhältlich ist.

EWS Finally Trophy of Nations and E EWS; Bild: Sven Martin

Die Zusammenarbeit von Yannick Pontal mit den Ingenieuren und dem Entwicklungsteam von SRAM (intern Apollo Project genannt) hat wertvolles Feedback geliefert und es ermöglicht, ein System zu entwickeln, das auf der Rennstrecke genauso erfolgreich ist wie auf den Hometrails der Nutzer.

Apollo-Project

Es unterstreicht die Leistungsfähigkeit und Qualität des Eagle Powertrain-Systems, das von rennerprobten Profis getestet und für erstklassig befunden wurde. Folgende Bauteile werden grundsätzlich beim SRAM Eagle Powertrain verbaut:

  • Eagle Powertrain AXS Bridge Display
  • Eagle Powertrain Akku 630 Wh / 720 Wh
  • Eagle Powertrain Antriebseinheit
  • Eagle Powertrain Speed Sensor und Speed Ring
  • Eagle Powertrain Kabelbaum und Displaykabel
  • Eagle Powertrain Ladeanschluss
  • Eagle Powertrain Batteriehalterung (C-förmig & einschiebbar)
  • Eagle Powertrain Ladegerät
  • Eagle Transmission
  • AXS Pod Controller (2x)

Je nach der weiteren Konfiguration werden noch folgende Komponenten verbaut:

  • Eagle Powertrain Verlängerungskabel für Schaltwerk
  • Eagle Powertrain Range Extender 250 Wh
  • Eagle Powertrain Brückenkabel für Range Extender
  • Eagle Powertrain Y-Kabel

Nur wenige Komponenten sind per Kabel bzw. CAN-Bus ins System eingebunden. Dazu gehören die Antriebseinheit, die Batterie und das Display. Auch die Sensoren am Ausfallende geben ihre Signale per Kabel weiter. Zu guter Letzt erfolgt die Stromversorgung der Transmission-Schaltung und des Displays per Kabel. Alles andere funktioniert mit der AXS-Funktechnologie.

Antrieb & Batterie

Beim Eagle Powertrain von SRAM sind die Zahlen des Motors identisch zum bekannten Drive S Mag. Das maximale Drehmoment liegt bei 90 Nm, die Peakleistung bei 680 W und das Gewicht bei 2,9 Kilogramm. Natürlich hat man die Steuerungssoftware an die eigenen Erfordernisse angepasst.

SRAM Eagle Powertrain

Dabei hat man darauf geachtet, dass die zur Verfügung stehende Leistung immer zum richtigen Zeitpunkt einsetzt und möchte so ein überaus natürliches Fahrgefühl erreichen. Ohne Ablenkungen und möglichst einfach soll der Nutzer unterwegs sein können, je härter man in die Pedale tritt, umso besser funktioniert der Eagle Powertrain.

Bekanntermaßen arbeitet der zugrunde liegende Brose-Antrieb sehr leise und verfügt laut SRAM auch über ein erstklassiges Derating, wenn es zu einer Reduzierung der Leistung aufgrund von steigender Hitze kommt. Die US-Amerikaner treten diesem Problem noch mit hitzebeständigeren Materialien entgegen.

Für das Abgreifen der Geschwindigkeit setzt SRAM einen neuen Speed Ring mit sechs Magneten ein. So kann ein höher aufgelöstes Geschwindigkeitssignal erfasst werden, was dabei helfen soll, schnellere und präzisere Schaltvorgänge auszuführen. Es wird keine Center-Lock-Variante des Speed Ring geben. Ebenfalls ist die Kettenblattgröße ab Werk fix gesetzt.

Das SRAM Eagle Powertrain System ist auch mit dem Rock Shox Flight Attendant Fahrwerk kompatibel, wobei die Antriebseinheit dann als Pedaliersensor funktioniert, wie SRAM mitteilt.

Es gibt zwei Batterien, einen Akku mit 630 Wh (3,1 kg) für offene Unterrohr-Rahmenkonstruktionen und eine Variante mit 720 Wh (4,1 kg) für entsprechende Einschub- und Rahmenkonstruktionen mit geschlossenem Unterrohr. Die Akkus sind dabei aus 21700er-Zellen aufgebaut, der derzeit modernsten Technologie, wenn man von den 22700er-Zellen absieht, die bisher exklusiv bei Giant zum Einsatz kommen.

SRAM Batterie mit 630 Wh

Für den 630-Wh-Akku gibt SRAM eine Ladezeit von 4,5h an (0 auf 100 %), wenn man das 4A-Standard-Ladegerät nutzt. Bei dem 720-Wh-Akku wächst die Ladezeit auf fünf Stunden an. Der kompakte Akku ist per Clip-In- bzw. Slide-In-Befestigung im Rahmen fixiert, während der 720-Wh-Akku sich mittels Inbusschlüssel ebenfalls leicht entfernen lassen soll.

Es wird ab November 2023 auch ein Range Extender mit 250 Wh zur Verfügung stehen, der mittels proprietärem Haltesystem am Rahmen des E-Mountainbikes befestigt wird. Daran kann dann entweder der Zusatz-Akku oder auch ein Flaschenhalter befestigt werden.

Das AXS Bridge Display mit integriertem Einschaltknopf zeigt nur den aktuellen Fahrmodus an (es gibt deren zwei: Range und Rally) und ob Auto Shift aktiviert ist, inklusive Modus. Auch die restliche Ladung des Akkus wird angezeigt. Das war es schon mit der unnötigen Ablenkungen vom Fahren.

Über die vorhandene ANT+ LEV und PWR-Schnittstellen lassen sich allerdings auch Headunits wie beispielsweise das hauseigene Hammerhead oder auch Geräte von Drittanbietern integrieren. Je nach Gerät ist dann der Zugriff auf folgende Daten möglich:

  • Position
  • Geschwindigkeit
  • Kurs
  • Höhe
  • Leistung
  • Kadenz
  • Herzfrequenz
  • Temperatur
  • Steigung
  • Batteriestatus
  • Antwortzeit
  • Kraft
  • Reifendruck
  • Fahrzeuginformationen

Es wurden nur zwei Unterstützungsmodi gewählt, um das Fahrerlebnis zu vereinfachen: Range und Rally. Mittels Range-Modus soll die Effizienz des Systems maximiert und die Reichweite gesteigert werden, indem der SRAM Eagle Powertrain leistungsreduziert läuft. Der Fahrer setzt diesen bei leichterem Gelände oder längeren Strecken ein, auch um Akku zu sparen.

Beim Rally-Modus hingegen wird die maximale Leistung zur Verfügung gestellt, weshalb sich der Modus dann eher für kürzere Fahrten bei voller Leistung eignet. Beide Modi können über die SRAM AXS Smartphone-App vollständig auf die Vorlieben des Nutzers angepasst werden.

Hat man den SRAM Range Extender ins System integriert, so wird im Range-Modus der Range Extender zuerst entladen, während im Rally-Modus auf den Hauptakku zugegriffen wird. So soll die Effizienz gesteigert werden.

Gesteuert wird alles mit den AXS Pod Controllern als vertraute Kontaktpunkte, von welchen jeweils einer links und rechts am Lenker montiert ist und so für ein überaus cleanes Cockpit sorgen (laut SRAM nur in Verbindung mit den SRAM Stealth Bremsen; andere Bremsen-Hersteller sind natürlich möglich).

Die Pods verfügen über eine eindeutige Funktionalität, die durch einfachen Druck oder Long Press dann aktiviert wird, wie in dieser Auflistung angezeigt:

  • Rechte obere Taste Single Click: Hochschalten
  • Rechte untere Taste Single Click: Runterschalten
  • Rechte obere Taste lang drücken: Automatisches Schalten Ein / Aus
  • Rechte untere Taste lang drücken: Einstellung des Trittfrequenz-Sollwerts für das automatische Schalten.
  • Linke obere Taste Single Click: Einstellung des Unterstützungs-Modus
  • Linke untere Taste drücken oder halten: Reverb AXS
  • Linke obere Taste drücken und halten: Aktivierung des Push-Modus

Die in der Liste angesprochene Push-Funktion (Schiebehilfe) wird aktiviert, indem die Taste unten auf dem linken AXS Pod länger gedrückt und gleichzeitig das E-Mountainbike leicht bewegt wird. So soll ein Anschieben auf Treppen oder in steilem Gelände möglich sein, wobei die Motorunterstützung auf 6 km/h begrenzt wird.

Über das AXS Bridge-Display kann sich der Nutzer mittels seines Smartphones und der darauf installierten SRAM AXS App verbinden, die für das SRAM Eagle Powertrain System funktionell aufgebohrt wurde. Um mit dem Bike zu fahren, wird die App oder das Smartphone auf jeden Fall nicht benötigt, wie SRAM mitteilt.

Folgende Informationen und Fahrstatistiken können über die App abgerufen werden:

  • AXS-Komponenten, die mit dem Display gekoppelt sind
  • Modell
  • Seriennummer
  • Hardware und Firmware Versionen
  • Kilometerzähler der Antriebseinheit
  • Komponentenladung
  • Komponententemperatur
  • Akkuladung, Ladezyklus und Zustand
  • Diagnostik und Fehlermeldungen
  • Verfügbarkeit neuer Firmware

Man kann die AXS-Controller über die App konfigurieren. Hier ist eine Anpassung der Schaltrichtung, Fahrmodi und der Sattelstütze möglich. Einzig der Push-Modus kann aus Sicherheitsgründen nicht angepasst werden.

Sollte ein Nutzer die Reverb AXS Sattelstütze auf links oben stellen, wird der Push-Modus deaktiviert. Michael Hemme, E-MTB Category Manager bei SRAM, teilt dazu mit:

Bei uns steht der Fahrer immer an erster Stelle. Das Ziel des Systems war es, dem Fahrer ein komplettes, kabelloses, integriertes E-MTB-System zu bieten, das speziell auf Performance-Mountainbiking abgestimmt ist. Wir haben das Fahren vereinfacht, damit sich der Fahrer auf den Trail konzentrieren kann.Michael Hemme

Um alle Funktionen und Vorteile von Powertrain zu nutzen, sollte das System mit einer SRAM XX, X0 oder GX Eagle Transmission kombiniert werden. Powertrain kann aber auch mit mechanischen oder Eagle AXS-Antrieben verwendet werden, allerdings verliert man dann die Auto Shift- und Coast Shift-Funktion.

Wie funktionieren Auto Shift und Coast Shift?

Bei Eagle Powertrain Auto Shift muss der Fahrer unterwegs nicht an Schalten denken. Das System soll den Fahrstil des Nutzers erkennen und setzt die benötigten Schaltvorgänge dann um, so dass dem E-Mountainbiker ein überaus intuitives Fahrerlebnis geboten werden kann.

Dabei überwachte die Schaltautomatik die Trittfrequenz und sorgt dafür, dass diese möglichst konstant bleibt, indem es entweder hoch- oder herunterschaltet. Eine Anpassung an den persönlichen Fahrstil ist in sieben Stufen möglich, so dass jeder laut SRAM seinen persönlichen Sweet Spot finden kann. Per einfachem Tastendruck kann man das System jederzeit überstimmen, z.B. für einen kurzfristigen Sprint.

Die Eagle Powertrain Coast Shift Funktion hingegen erlaubt es, dass ohne zu pedalieren geschaltet werden kann. Dabei kann sich das Kettenblatt unabhängig von der Kurbel bewegen, was es dem Nutzer erlaubt, an jeder Stelle zu schalten, auch wenn es das Gelände sonst nicht hergeben würde.

Vier E-MTB-Modelle mit SRAM Eagle Powertrain

Zum Start des Systems bringen vier Partner neue Modelle mit dem SRAM Eagle Powertrain heraus. Von Propain wird es das Ekano CF geben, eine E-Enduro mit massig Federweg (!80/170 mm), bei welcher auch erstmals ein Carbonrahmen zum Einsatz kommt, also zwei Premieren in einer.

Von GasGas wird es das ECC 6 geben, einen Ableger des Modells, welches bei Rennen in der E-EDR eingesetzt wurde und über welches wir hier schon öfters berichtet hatten. Das Modell baut ebenfalls auf einem Carbonrahmen auf und wird 170 mm vorne und 160 mm hinten bereitstellen. Es sieht schon im Stand nach Rennen aus.

Auch Nukeproof wird ein Modell auf den Markt bringen, von welchem bisher aber nichts weiter bekannt ist. Als vorerst letzter im Bunde bringt Transition noch ein neues Repeater-Modell auf den Markt und wendet sich dabei womöglich von der Integration des Shimano EP8-Systems ab.

Wir werden hier schon bald über diese neuen Modelle vollumfänglich berichten, inklusive Bilder. Bis dahin hier aber noch ein Video von SRAM zur Einführung des SRAM Eagle Powertrain:

Fazit

Mit dem eigenen Antriebssystem die eigenen Schaltkomponenten und Anbauteile pushen: das scheint SRAM mit dem Eagle Powertrain System perfektioniert zu haben. Die US-Amerikaner zeigen damit auch auf, wie sie sich die Integration ihrer neuesten Schaltungstechnologie in ein E-MTB-Antriebssystem vorstellen, zumindest in der Theorie. Dass die Funktionsweise auf die teuren High-End-Komponenten der Marke ausgelegt wurde, führt zum Start des Systems auch zum Einsatz an E-Mountainbikes im High-End-Bereich. Dort tummeln sich normalerweise Nutzer, die für sich genau wissen, wann sie schalten und sich eher nicht von einer Automatik überstimmen lassen möchten. Man kann daher davon ausgehen, dass das System in Zukunft noch für preiswertere E-Bikes kommen wird, eventuell auch im E-Trekking-Segment. Trotzdem würden wir natürlich auch selber gerne erfahren, wie sich das System im Vergleich zum bisher Dagewesenen schlägt und werden dann hier in vollem Umfang über unsere Erkenntnisse berichten.

Bis dahin alle Weitere auf der Webseite von SRAM.

Quelle: PM SRAM
Bilder: SRAM
Video: SRAM