Mountainbiken zählt zu einer der beliebtesten Freizeitsportarten in Deutschland. Doch die steigende Zahl aller Erholungssuchenden sorgt immer wieder für Konflikte. Gerne werden einzelne Fälle medienwirksam aufgebauscht. Wie sieht allerdings die Realität im Wald aus? Sind Mountainbiker:innen wirklich Rowdys und Umweltrüpel? Der pressedienst-fahrrad ging in einer Gesprächsrunde mit Experten auf Spurensuche.
Rund 16 Millionen Menschen in Deutschland geben an, dass sie regelmäßig Mountainbiken. Sie wollen in erster Linie die Natur erleben, möglichst auf naturnahen Wegen, sogenannten Trails. Das führt anscheinend immer wieder zu Konflikten mit anderen Nutzer:innengruppen, Naturpark-Verwaltungen oder Waldbesitzer:innen, über die in den Medien zu lesen ist.
Nico Graaff, Geschäftsführer beim Mountainbike-Tourismusforum Deutschland, wünscht sich jedoch einen differenzierteren Blick: „Medial wirkt die aktuelle Lage schlimm, aber in der Realität ist es nicht so.“
Er weist darauf hin, dass es nicht den einen Mountainbiker oder die eine Montainbikerin gibt, sondern es um eine heterogene Gruppe, vom Downhill bis zum Feldwegfahren, handelt. Jede Gruppe hat andere Ansprüche und Bedürfnisse. Um für die Zukunft und für alle Seiten vernünftige Lösungen zu schaffen, bedürfe es neuer Konzepte, Aufklärung und viel Kommunikation, so Graaff.
MTB-Szene einbeziehen und viel kommunizieren
Ein Vorschlag, der aktuell bei Kommunen eine hohe Resonanz findet, ist ein ausgewiesenes Wegenetz für Mountainbiker:innen.
„Eine solche Lenkung funktioniert allerdings meist nur, wenn es ein entsprechendes Angebot für die unterschiedlichen Gruppen an Mountainbikenden gibt“, erklärt Graaff.
Farbliche Einteilungen der Strecken, wie von Skipisten bekannt, können helfen, für mehr Übersichtlichkeit zu sorgen. Jan Zander, Inhaber der MTB-Schule Trailtech und langjähriger Begleiter der Szene, gibt den Tipp, dass bei der Erstellung solcher Angebote immer die lokale Mountainbike-Szene bei der Planung mit einbezogen werden sollte. Das schaffe deutlich mehr Akzeptanz bei den Mountainbikenden. Hinzu komme aus seiner Sicht, dass allein das Erstellen von Wegenetzen nicht ausreichend sei. Wichtig sei auch der Service rund um die Strecken im Nachhinein.
„Trail-Sperrungen müssen besser kommuniziert werden. Gesperrte Wege erhitzen in Foren und Social-Media-Kanälen schnell die Gemüter und sorgen für Unverständnis – vor allem, wenn keine Gründe genannt werden. Die Kommunikation mit der Szene ist wichtig für ein Verständnis der Maßnahmen“, berichtet Zander aus seinen Erfahrungen.
E‑Mountainbiker:innen an die Hand nehmen
Kommunikation werde insbesondere wichtig, weil gerade durch E‑Mountainbiker:innen ein größeres und neues Klientel auf die Trails kommt. Die Verkaufszahlen für E‑MTBs waren im letzten Jahr fast fünfmal so hoch wie von analogen Mountainbikes.
„Mit der Motorunterstützung schaffen die Mountainbikenden deutlich längere Strecken und es kommen neue Nutzungsarten hinzu. Das bringt zusätzlich Leute in die Natur“, so Volker Dohrmann, Leiter Strategie, Produkt und Marketing beim Fahrradhersteller Stevens.
Viele dieser neuen Zielgruppen haben nicht die Erfahrung, wie sie sich im Wald und auf den Trails verhalten müssen – speziell, wenn die Wege durch Naturschutzgebiete führen.
„Sie wissen gar nicht, dass sie plötzlich durch einen Nationalpark fahren und dort andere Regeln gelten. Diese Aufklärung muss betrieben werden“, so Zander.
Digitale Angebote als Schlüssel
Wie es positiv funktionieren kann, zeigt der Nationalpark Harz: Alle Wege, die (legal) in den Nationalpark führen, sind entsprechend mit großformatigen Schildern und den Nationalparkregeln gekennzeichnet. Tagesaktuelle Wegesperrungen sind direkt auf der Homepage zu sehen. Mit Anbietern von Navigations-Apps werden Grundlagen geschaffen, durch die ein naturfreundliches Wegenetz für Mountainbikende entstehen kann. Die Möglichkeiten der Digitalisierung besser einzusetzen, ist ein wichtiger Punkt für die zukünftige Entwicklung. Bei der Navigation können Hinweise zu den einzelnen Regelungen in den Gebieten oder auch bundeslandspezifische Bestimmungen hinterlegt werden.
„Wir sind mit den Fortschritten auf diesem Gebiet zufrieden“, fasst Henning Möller von der Nationalpark-Wacht des Nationalparks Harz den aktuellen Stand zusammen.
Trail-Bau lokal legalisieren
Digitalisierung und bessere Wegesteuerung können jedoch nur einen Teil der aktuellen Problematik lösen. Wesentlich höheres Konfliktpotenzial hat der illegale Trail-Bau, also das fahrbar machen von unterschiedlichen Wegen durch Moutainbiker:innen. Das eigene Streckenanlegen ist ein wesentlicher Bestandteil der MTB-Szene und wirkt speziell auf Jugendliche einen hohen Reiz aus. Durch die steigende Zahl an Trail-Bauten nimmt aber das Konfliktpotenzial zu. Deshalb ist es in diesem Bereich immens wichtig, gemeinsam zu kommunizieren und Lösungen zu erarbeiten – wobei es auch klare Regelungen gibt.
„Auf dem Gebiet des Nationalparks können wir Trail-Bauten nicht dulden. Dort hat der Naturschutz Vorrang und ist deshalb das Verlassen von Wegen nicht gestattet. Aber es muss ja nicht unbedingt im Nationalpark gebaut werden, sondern es gibt Ausweichflächen“, rät Möller.
Wenn die Struktur des entsprechenden Weges passt, kaum Konfliktpotenzial erkennbar ist und die Besucherströme sinnvoll gesteuert werden, können auch künstlich angelegte Trails im Wald Akzeptanz finden.
„Wenn wiederum auch die Mountainbike-Community mit in die Planungen einbezogen wird, schafft das mehr Akzeptanz in der Szene für das Projekt“, so Graaff. Auf der anderen Seite sollten sich die Mountainbikenden auch an die getroffenen Absprachen halten.
Auch Kommunen brauchen Aufklärung
Regionale Beispiele, wie etwa Freiburg, zeigen, dass dieses Miteinander aus lokaler MTB-Szene und Kommune zu einer für alle sinnvollen Lösungen führen kann. Diese positiven Beispiele bekommen durch die Arbeit der MTB-Szene Bekanntheit über die lokalen Grenzen hinaus, was wiederum den touristischen Wert der Region steigert.
„Die Entwicklung muss dann aber auch der Nachfrage und dem Volumen gerecht werden. Es zeigt sich dabei: Es geht nur gemeinsam, aber dann viel besser“, sagt Graaff.
Er weist hier auch auf den Punkt hin, dass auch bei vielen Kommunen noch Aufklärungsbedarf besteht. Kommunalvertreter:innen oder auch Waldbesitzer:innen wissen beispielsweise oft nicht, wie Fragen von Haftung und Versicherungsschutz geregelt sind – und stellen manchmal vorschnell Verbotsschilder auf.
Bikepacker:innen als weitere Zielgruppe
Die Diskussion bekommt aktuell sogar noch eine neue Facette, indem die Trends Gravelbiken und Bikepacking stark zu nehmen. Beim Bikepacking spielt die Übernachtung unter freiem Himmel eine wesentliche Rolle, meist verbunden mit einem Lagerfeuer – was beispielsweise in Nationalparks oder Naturschutzgebieten grundsätzlich nicht gestattet ist, um Ruhezeiten für die Natur zu gewährleisten.
„In den letzten beiden Jahren ist die Nachfrage nochmals gestiegen. Das erhöht den Nutzungsdruck und bedarf nochmals einer Steuerung“, weiß Peter Wöstmann, PR-Sprecher vom Taschenanbieter Ortlieb.
Das Unternehmen unterstützt beispielsweise den Bikepacking Deutschland e. V., der sich dem koordinierten Umgang von Naturschutz und Bikepacking verschrieben hat. Eine mögliche Alternative zum Biwakieren in der Natur sind zum Beispiel Naturcampingplätze. Dort ist – anders als im Wald – auch das Zelten erlaubt, was in Deutschland auch außerhalb von Naturschutzgebieten oder Nationalparks sonst verboten ist.
Mit Aufklärungs- und Kommunikationsarbeit auf allen Seiten muss in Zukunft dafür gesorgt werden, dass die Akzeptanz für die unterschiedlichen Gruppen hergestellt wird. Das schließt auch die Mountainbiker:innen mit ein.
Jan Zander fasst treffend zusammen: „Die schwarzen Schafe erreicht man mit Aufklärung sowieso nicht. Es gilt, die breite Masse zu sensibilisieren.“
Regelmäßige Treffen von Mountainbiker:innen, Naturschützer:innen und Waldbesitzenden seien darum wichtig und müssten weiter intensiviert werden. So kann Verständnis auf allen Seiten entstehen. Mountainbiker:innen erkennen, dass punktuelle Verbote keine Schikane sind, sondern gute Gründe haben. Naturschützer:innen und Waldbesitzende, dass auch Freizeit- und Erholungsinteressen einen Wert an sich haben und gerade Mountainbikende mit ihrer Naturnähe hervorragende Multiplikator:innen verantwortungsvoller Naturnutzung sein können.